Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßregelvollzug. (5- oder 7-Punkt-) Fixierung. Fesselung. zwingende Behandlungsgründe. Richtervorbehalt. richterliche Genehmigung einer Fixierung. Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Fixierung handelt es sich um einen besonders eingriffsintensiven Unterfall der Fesselung im Sinne des § 17 Abs. 3 MRVG NRW.
2. Nach Auffassung des Senats beanspruchen die verfassungsgerichtlichen Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 (2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16, juris) zur (Un)-Zulässigkeit von Fixierungen im Rahmen landesrechtlicher Vorschriften betreffend die Unterbringung psychisch Kranker bei vorliegender Eigen- oder Fremdgefährdung auch für den Bereich des Maßregelvollzuges gemäß § 63 StGB uneingeschränkt Geltung. Die Vornahme einer (5-Punkt)-Fixierung ist nicht von der vorangegangenen allgemeinen (strafrechtlichen) richterlichen Unterbringungsanordnung gedeckt.
3. In Fällen zukünftig beabsichtigter 5- oder 7-Punkt-Fixierungen im Maßregelvollzug ist bis zu der angesichts der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung gebotenen Neufassung des § 17 Abs. 3 MRVG NRW in Form der erforderlichen konkreten Ausgestaltung eines Richtervorbehaltes vorläufig in unmittelbarer Anwendung des Art. 104 Abs. 2 S. 4 GG die vorherige Einholung einer richterlichen Entscheidung erforderlich. Hierfür besteht nach Auffassung des Senats mangels derzeit anderweitiger gesetzlicher Regelung entsprechend der Zuständigkeit im Fall der nachträglichen Anfechtung einer solchen Maßnahme durch den Betroffenen eine Zuständigkeit der kleinen Strafvollstreckungskammern bei den Landgerichten (abweichend von OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. November 2018 - 3 Ws 847/18 StVollz -, juris, im Entscheidungszeitpunkt noch nicht bekannt)
Normenkette
GG Art. 104 Abs. 2; MRVG NRW § 17 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen AZ: V StVK 140/17) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Der Betroffene befand sich auf Grundlage Urteils des Amtsgerichts - Schöffengericht - Dortmund vom 15. November 2001 wegen einer von ihm begangenen gefährlichen Körperverletzung gemäß der §§ 7 JGG, 63 StGB seit dem 15. Februar 2002 in der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die ab dem 04. Februar 2011 bis zum 05. Januar 2018, dem Tag seiner Entlassung, in der LWL-Maßregelvollzugsklinik I vollzogen wurde.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer auf entsprechenden Antrag des Betroffenen festgestellt, dass eine am 21. September 2017 um 11:00 Uhr durch den stellvertretenden Therapeutischen Direktor wegen einer seitens der Behandler angenommenen Eigengefährdung des Betroffenen angeordnete und bis um 21:00 Uhr fortwährende so genannte 5-Punkt-Fixierung in einem Kriseninterventionsraum der Klinik rechtswidrig gewesen sei. Eine Fesselung dürfe gemäß § 17 Abs. 3 MRVG NRW lediglich aus zwingenden Behandlungsgründen erfolgen, welche nicht vorgelegen hätten. Als besondere Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 21 MRVG NRW sei die Fesselung, welche auch nicht auf die Generalklausel des § 5 S. 2 MRVG NRW gestützt werden könne, nicht zulässig, weil nach der Rechtsprechung des Senats die Regelung des § 17 Abs. 3 MRVG NRW abschließenden Charakter habe.
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Direktors des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) als untere staatliche Maßregelvollzugsbehörde, welche damit begründet wird, dass die Strafvollstreckungskammer den Begriff der zwingenden Behandlungsgründe im Sinne des § 17 Abs. 3 MRVG NRW verkannt habe, ein solcher Grund sei jedenfalls dann gegeben, wenn schwerwiegende Gesundheitsgefahren oder eine Lebensgefahr bestünden. Dies sei vorliegend der Fall gewesen, da aufgrund der gegebenen Umstände die konkrete Gefahr eines selbstverletzenden Verhaltens des Betroffenen bestanden hätte.
Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen hat sich der Rechtsbeschwerde voll umfänglich angeschlossen. Der Betroffene war für den Senat postalisch nicht mehr erreichbar und hat dementsprechend keine Stellung bezogen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1.
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts (§§ 138 Abs. 3, 116 StVollzG) zu, weil einerseits eine obergerichtliche Rechtsprechung des für Nordrhein-Westfalen landesweit zuständigen Senats zum Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 MRVG NRW und hierbei namentlich zu den Fragen, wie der Begriff "zwingende Behandlungsgründe" auszulegen ist und ob eine 5-Punkt-Fixierung überhaupt dem Begriff der Fesselung unterfällt, bisher nicht vorliegt.
Darüber hinaus ist in Anbetracht der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Erfordernissen bei Durchführung einer 5- oder 7-Punkt-Fixierung (BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16 -, juris) eine Klarstell...