Leitsatz (amtlich)

Eine durch -jahreszeittypisch- feuchtes Laub und feuchte Nadeln auf einem Geh- und Radweg in einem ländlichen Waldstück begründete Rutschgefahr kann für jeden Benutzer des Weges gut zu erkennen und bei vorsichtiger Benutzung beherrschbar sein. Auf diesen Zustand hat sich ein Verkehrsteilnehmer einzustellen, er stellt keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar.

 

Normenkette

BGB §§ 9, 9a, 839; GG Art. 34; StrWG NW § 47

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Aktenzeichen 5 O 136/20)

 

Tenor

Hinweis: Die Berufung ist nach Erlass des Hinweisbeschlusses zurückgenommen worden.

weist der Senat nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

Die Berufung ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Der Klägerin steht wegen ihres Sturzes mit dem Fahrrad am 00.00.20... gegen 13.25 Uhr auf dem Rad- und Fußweg entlang der L. zwischen den Ortsteilen

O - F und O - V kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, 9, 9a, 47 StrWG NW als der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu.

 

Gründe

1. Soweit das Landgericht die Abweisung der Klage darauf gestützt hat, dass der Klägerin ein überragendes anspruchsausschließendes Mitverschulden gemäß § 254 BGB zur Last falle, kann dem allerdings nicht gefolgt werden.

Das Landgericht verkennt, dass die Haftung aus einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht schon dann vollständig entfällt, wenn der Geschädigte bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eine pflichtwidrig bestehende Gefahrenstelle hätte erkennen und umgehen können. Die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung für das Unfallereignis würde damit allein auf den Geschädigten verlagert, obwohl die Verkehrssicherungspflichtige eine maßgebliche Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat. Dieses Ergebnis widerspräche dem Schutzzweck der verletzten Verkehrssicherungspflicht, die auch solche Verkehrsteilnehmer vor Schäden bewahren soll, die nicht stets ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen. Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann daher nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.2013 - III ZR 326/12, Juris Tz. 18 ff.).

Zu einem Sorgfaltsverstoß von diesem Gewicht fehlen ausreichende Feststellungen des Landgerichts, da allein die Erkennbarkeit der Gefahrenstelle und ein sorgfaltswidriges Verhalten der Klägerin noch keinen Vorwurf einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit zulassen. Umstände, die darüber hinaus einen derartigen Vorwurf begründen könnten, sind weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.

2. Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht hingegen davon ausgegangen, dass der Beklagten keine Verletzung gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht zur Last fällt. Es stellt sich nicht als Pflichtwidrigkeit dar, dass die Beklagte am Unfalltage den Befall des Rad- und Fußweges zwischen den Ortsteilen O - F und O - V mit Fichtennadeln und Laub nicht beseitigt hatte.

a) Aus §§ 9, 9a, 47 StrWG NW ergibt sich für die Beklagte grundsätzlich die hoheitlich ausgestaltete Verpflichtung, die von ihr unterhaltenen Verkehrsflächen von abhilfebedürftigen Gefahrenquellen freizuhalten.

Die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften haben deshalb im Rahmen des ihnen Zumutbaren nach Kräften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer in diesen Bereichen nicht zu Schaden kommen. Allerdings muss der Sicherungspflichtige nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht ...

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