Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialleistungsbetrug. Sozialhilfebetrug. notwendige tatrichterliche Feststellungen
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Verurteilung wegen Sozialleistungsbetruges müssen die tatrichterlichen Entscheidungsgründe in nachvollziehbarer Weise zu erkennen geben, dass und inwieweit auf die zu Unrecht erbrachten Leistungen nach den sozialhilferechtlichen Bestimmungen tatsächlich kein Anspruch bestand.
Normenkette
StGB § 263
Verfahrensgang
AG Brilon (Entscheidung vom 30.11.2020; Aktenzeichen 12 Ds 91/20) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Brilon zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Brilon hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 30. November 2020 wegen Betruges eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt.
Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht dabei u. a. folgende Feststellungen getroffen:
"Mit Sozialleistungsantrag vom 08.07.2019 beantragte der Angeklagte für sich Sozialleistungen. Mit Sozialleistungsbescheid vom 24.07.2019 bewilligte das Jobcenter A für den Zeitraum vom 01.08.2019 bis zum 31.07.2020 dem Angeklagten Sozialleistungen.
Auf Vermittlung des Jobcenters nahm der Angeklagte am 04.09.2019 eine Tätigkeit bei der Firma B auf, die bis zum 02.10.2019 befristet lief.
Bis zum 13. November 2019 war der Angeklagte dann arbeitslos. Infolge Eigeninitiative nahm er dann am 14.11.2019 bei der bekannten Firma B erneut eine - diesmal unbefristete - Tätigkeit auf, die er bis zum 29.02.2020 ausübte. Von der (erneuten) Arbeitsaufnahme bei der Firma B informierte er das Jobcenter entgegen seiner Pflicht, alle Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die für den Leistungsbezug erheblich sind, unverzüglich und unaufgefordert mitzuteilen, nicht. ...
Mit Datenabgleich vom 19.02.2020 wurde dem Jobcenter offenbar, dass der Angeklagte, der nach wie vor im Sozialleistungsbezug stand, seit dem 14.11.2019 bei der Firma B arbeitete.
Mit Schreiben vom 09.03.2020 forderte das Arbeitsamt daraufhin den Angeklagten auf, den Arbeitsvertrag sowie die Lohnabrechnung zu übersenden. Eine Reaktion seitens des Angeklagten folgte hierauf nicht. Darauf wurden die Leistungen eingestellt. Kurz nach der Einstellung der Leistung meldete sich der Angeklagte am 07.05.2020 sodann telefonisch beim Arbeitsamt.
Nach Vorhergesagtem hatte der Angeklagte im Zeitraum vom 14.11.2019 bis zum 29.02.2020 zu Unrecht Sozialleistungen in Höhe von 1.520,20 € bezogen, wobei er es vorsätzlich unterlassen hat, dem Jobcenter der Stadt A seine Arbeitsaufnahme in dem genannten Zeitraum anzuzeigen. Infolge der Verrechnung mit einem dem Angeklagten zustehenden Anspruch sowie der Zahlung einiger Schadensraten besteht gegenwärtig noch ein offenener Schaden in Höhe von ca. 1000,00 €.
Die Überzahlungen im einzelnen betragen:
- Dezember 2019: 168,40 €
- Januar 2020: 675,90 €
- Februar 2020: 675,90 €"
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der von ihm form- und fristgerecht eingelegten Sprungrevision, die er unter näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie vom Senat erkannt worden ist.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend führt bereits die vom Angeklagten erhobene Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:
"Die gem. § 335 StPO statthafte (Sprung-)Revision des Angeklagten ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Ihr bleibt ein - zumindest vorläufiger - Erfolg in der Sache nicht versagt.
Bereits die auf die allgemeine Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des Urteils führt zu seiner Aufhebung, da die Feststellungen des Gerichts den Schuldspruch wegen Betruges durch Unterlassen nicht tragen.
In Fällen des sogenannten Sozialleistungsbetrugs hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der für die Leistungsbewilligung geltenden Vorschriften selbständig zu prüfen, ob und inwieweit tatsächlich kein Anspruch auf die beantragten Leistungen bestand. Um den Eintritt eines Schadens zu belegen, muss aus den Feststellungen in nachvollziehbarer Weise hervorgehen, dass und inwieweit nach den tatsächlichen Gegebenheiten auf die sozialrechtliche Leistung kein Anspruch bestand; mit einer allgemeinen Verweisung auf behördliche Schadensaufstellungen darf sich das Urteil nicht begnügen (zu vgl. nur BGH, Beschluss vom 22.03.2016 - 3 StR 517/15 -, m.w.N., zitiert nach juris).
Diesen Anforderungen genügen die der Verurteilung durch das Amtsgericht Brilon zugrundeliegenden Feststellungen nicht. Weder teilt das Amtsgericht die Höhe der durch den Angeklagten bezogenen Sozialleistungen noch die Höhe eines etwaig erlangten und dem Job-Center de...