Leitsatz (amtlich)
Die von einem Verweisungsbeschluss wegen sachlicher Unzuständigkeit gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO ausgehende Bindungswirkung besteht auch dann, wenn das LG entgegen § 5 ZPO mehrere geltend gemachte Ansprüche nicht zusammengerechnet hat und die Parteien der diesbezüglich im Vorfeld geäußerten Rechtsansicht des verweisenden Gerichts nicht entgegen getreten sind.
Normenkette
ZPO §§ 5, 36, 281
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das AG F bestimmt.
Gründe
A. Der Beklagte ist Gesellschafter und Mitbegründer eines Zentrums für Reproduktionsmedizin in F. Mit ihrer beim LG F erhobenen Klage nehmen die Klägerinnen den Beklagten auf Erteilung von Auskunft über die Identität ihrer jeweils genetischen Väter in Anspruch. Den vorläufigen Streitwert ihrer Klage beziffern die Klägerinnen auf 12.500 EUR.
Das LG F hat sich durch Beschluss vom 11.3.2014 auf Antrag der Klägerinnen für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG F verwiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LG F ausgeführt, es sei sachlich unzuständig. Unter Zugrundelegung des angegebenen Streitwerts von insgesamt 12.500 EUR entfalle auf jede einzelne Klage ein Zuständigkeitsstreitwert von 2.500 EUR. Eine Zusammenrechnung gem. § 5 ZPO scheide aus, weil es sich bei den Klageforderungen nicht um vermögensrechtliche Ansprüche handele.
Das AG F hat die Parteien mit Verfügung vom 1.4.2014 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, sich ebenfalls für sachlich unzuständig zu erklären und die Sache dem OLG Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Nr. 6 ZPO vorzulegen.
Das AG F hat sich mit Beschluss vom 25.4.2014 ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit ohne klägerischen Antrag an das LG F zurückverwiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei sachlich unzuständig, weil der Streitwert die Summe von 5.000 EUR übersteige. Der Wert des Anspruchs jedes einzelnen der fünf beteiligten Streitgenossen betrage mindestens 2.000 EUR. Gemäß § 5 ZPO würden mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet. Das Gebot der Zusammenrechnung nach § 5 ZPO gelte auch im Streitgenossenprozess; die Vorschrift setze voraus, dass die Ansprüche nebeneinander (gleichzeitig) verfolgt würden. Die vom LG gemäß Beschluss vom 11.3.2014 vorgenommene Verweisung mit der Begründung, eine Zusammenrechnung gem. § 5 ZPO scheide aus, weil es sich bei den Klageforderungen nicht um vermögensrechtliche Ansprüche handele, sei entgegen § 281 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht bindend, weil sie objektiv willkürlich sei. Weiche das verweisende Gericht von der Gesetzeslage bzw. der ganz einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum ab, dann müsse es dies wenigstens gesehen und die eigene Auffassung begründet haben. Das LG hatte vorliegend seine mit dem Wortlaut von § 5 ZPO nicht in Einklang zu bringende Rechtsauffassung, die Anwendbarkeit der Vorschrift sei auf vermögensrechtliche Streitigkeiten beschränkt, nicht begründet.
Die Verbindung der Klagen sei gem. § 60 ZPO zulässig. Denn vorliegend bildeten gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche den Gegenstand des Rechtsstreits. § 60 ZPO beruhe weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und sei insofern weit auszulegen; dies gestatte es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lasse. Die Kläger seien nach ihrem Vortrag alle durch eine Fremdsamenspende in der Praxis des Beklagten gezeugt worden. Sie leiteten insofern ihre Ansprüche aus gleichartigen selbständigen Lebenssachverhalten gegenüber dem Beklagten als Gesellschafter des J-Zentrums her. Der auf Beklagtenseite erforderliche innere Zusammenhang zwischen diesen Lebenssachverhalten sei daher gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses des AG F vom 25.4.2014 Bezug genommen.
Mit Verfügung vom 25.4.2014 hat das AG F die Sache dem OLG Hamm zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
I. Sowohl das LG F als auch das AG F haben sich beide rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt.
II. Das OLG Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen.
C. Als zuständiges Gericht ist das AG F zu bestimmen.
Die Zuständigkeit folgt gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des LG F vom 11.3.2014.
I. Eine Bindungswirkung gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird nämlich nicht schon durch die bloße etwaige Unrichtigkeit der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage infolge eines einfachen Rechtsirrtums des verweisenden Gerichts in Frage gestellt. Unbeachtlich ist ein solcher Beschluss vielmehr regelmäßig nur dann, ...