Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auswirkung der Verbindung mehrerer Prozesse gem. § 147 ZPO auf die sachliche Zuständigkeit des AG.
2. Weicht ein Verweisungsbeschluss von einer beinahe einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Fachliteratur ab, so entfällt dessen bindende Wirkung auf Grund von Willkür jedenfalls dann, wenn sich das verweisende Gericht mit dieser Meinung nicht auseinandersetzt und die eigene Auffassung begründet, obwohl eine Partei ausdrücklich auf die abweichende Meinung hingewiesen hat.
Normenkette
ZPO §§ 36, 147, 281
Verfahrensgang
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das AG I bestimmt.
Gründe
A. Der Kläger begehrt von der Beklagten mit seinen beiden beim AG I erhobenen Klagen, die dort zunächst unter den Aktenzeichen ... 1 und ... 2 getrennt geführt wurden, die Erstattung von Kosten für Kurmaßnahmen i.H.v. 2.781,58 EUR nebst Zinsen (Verfahren ... 1) sowie i.H.v. 3.460,98 EUR nebst Zinsen (Verfahren ... 2).
Mit Beschluss vom 14.2.2014 hat das AG I die beiden Verfahren unter Führung des Aktenzeichens ... 1 zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Mit Verfügung vom 14.2.2014 hat das AG I die Parteien darauf hingewiesen, dass nach Verbindung der Verfahren das LG C sachlich zuständig sei und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Mit Schriftsatz vom 24.2.2014 hat die Klägervertreterin unter Benennung eines Literaturzitats darauf verwiesen, dass die ursprüngliche sachliche Zuständigkeit nach § 506 Abs. 1 ZPO verloren gehen könne, dies aber nicht für eine Prozessverbindung nach § 147 ZPO gelte. Eine Prozessverbindung mache das LG nicht zuständig.
Mit Beschluss vom 4.3.2014 hat sich das AG I gleichwohl für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten gem. §§ 281, 506 ZPO an das LG C verwiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das angerufene Gericht sei aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig, insbesondere da der Streitwert über der Zuständigkeitsgrenze des AG liege; zuständig sei das aus dem Tenor ersichtlichen LG.
Das LG C hat sich mit Beschluss vom 8.4.2014 ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und die Sache dem OLG Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das LG C sei sachlich unzuständig. Eine Verweisung des Rechtsstreits durch den Beschluss des AG vom 4.3.2014 stehe die Vorschrift des § 147 ZPO entgegen. Danach bleibe die amtsgerichtliche Zuständigkeit auch nach Verbindung von Rechtsstreiten erhalten. Die Regelung des § 506 ZPO sei im Falle einer Verbindung von Rechtsstreiten nicht anwendbar. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Kläger die Zuständigkeit des AG erschleichen wollte. Gegenstand der Rechtsstreite seien zwei unterschiedliche Kuraufenthalte in den Jahren 2009 und 2010, die jeweils die Grundlagen im gleichen Verkehrsunfall hätten. Es seien keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger den Ersatz der Aufwendungen künstlich aufgespalten habe, um eine Zuständigkeit des AG zu begründen. Der Verweisungsbeschluss des AG I sei auch nicht gem. § 281 Abs. 2 ZPO bindend. Das AG I habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass nach Verbindung der Rechtsstreite die Zuständigkeit des LG begründet sei. Der Beschluss des AG entfalte keine Bindungswirkung, da sich das Gericht trotz ausdrücklicher Rüge der Klägervertreterin nicht mit der einhelligen gegenteiligen Rechtsansicht zu § 147 ZPO auseinandergesetzt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Beschluss des LG C vom 8.4.2014.
B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
I. Das AG I und das LG C haben sich beide rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt.
II. Das OLG Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen.
C. Als zuständiges Gericht ist das AG I zu bestimmen.
I. Die Prozessverbindung führt nicht zum Wegfall der sachlichen Zuständigkeit des AG I.
Nach ganz herrschender Auffassung, der sich der Senat anschließt, bleibt die Verbindung mehrerer Prozesse nach § 147 ZPO wegen des in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO verankerten Grundsatzes der perpetuatio fori ohne Einfluss auf die sachliche Zuständigkeit, so dass das AG zuständig bleibt, obwohl bei anfänglicher Klagehäufung die Zuständigkeit des LG durch Addition der Streitwerte nach § 5 ZPO gegeben wäre (Senat MDR 2013, 1307; Wagner in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 147 Rz. 13; Musielak/Stadler, ZPO, 11. Aufl., § 147 Rz. 6; Zöller/Greger, ZPO. 30. Aufl., § 147 ZPO Rz. 8 jeweils m.w.N.; anders lediglich AG Neukölln MDR 2005, 772).
Etwas anderes gilt ausnahmsweise für den hier ersichtlich nicht vorliegenden Fall, dass der Kläger durch willkürliche Aufspaltung des Streitgegenstandes in mehrere Teilklagen die amtsgerichtliche Zuständigkeit erschleichen wollte.
II. Eine Zuständigkeit des LG C ergibt sich auch nicht aus § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO, da der Verweisungsbeschluss des AG I vom 4.3.2014 im Stre...