Leitsatz (amtlich)
Zur Strafrahmenverschiebung unter Berücksichtigung der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung bei alkoholbedingt erheblich verminderter Schuldfähigkeit
Verfahrensgang
LG Münster (Entscheidung vom 09.05.2005) |
Tenor
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Beckum hat den Angeklagten am 8. April 2004 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten sowie zu einem Fahrverbot von drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von fünf Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilten. Seine dagegen gerichtete zulässige Berufung, die der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 9. Mai 2005 wirksam auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt hat, hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil im wesentlichen verworfen. Abweichend hat das Landgericht die Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis auf zwei Jahre herabgesetzt, andererseits aber auch die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Gegen dieses Urteil richtet sich seine form- und fristgerecht angebrachte Revision, die er in zulässiger Weise mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die auf die erhobene Sachrüge gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt keine Rechtsfehler auf, die zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster nötigen.
1.
Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch stand der Schuldspruch nicht zur Überprüfung des Senats.
Eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt, was der Senat von Amts wegen zu überprüfen hat, voraus, dass das angefochtene Urteil seine Prüfung ermöglicht. Unwirksam ist eine Beschränkung insbesondere dann, wenn die Feststellungen zur Tat, sei es auch nur zur inneren Tatseite, so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Auflage, § 318 Rdnrn. 16 m.z.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
2.
Die weiter zu prüfende Frage, ob die Strafkammer als das (in zweiter Instanz) mit der Sache befasste Tatgericht den ihr hier angefallenen Prozessstoff teilweise unentschieden gelassen bzw. rechtlich nicht gewürdigt hat, deckt zwar einen Rechtsfehler auf. Dieser belastet den Angeklagten jedoch nicht.
Der Angeklagte hatte die Berufung ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Dieser stand damit umfassend zur neuen Verhandlung und Entscheidung der Strafkammer an.
Das Landgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die amtsgerichtliche Feststellung, der Angeklagte habe die Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen, stehe auch für das Berufungsverfahren bindend fest. Im Rahmen der Strafzumessung hätte das Berufungsgericht aber diese Frage selbständig entscheiden müssen. Auch bei einer auf das Strafmaß beschränkten Berufung hat das Berufungsgericht nämlich in eigener Verantwortung über die Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zu befinden, da dieser Aspekt - im Unterschied zur Frage der Schuldfähigkeit überhaupt (§ 20 StGB) - zur Straffrage und nicht zur Schuldfrage zu rechnen ist (vergl. Fischer, StGB, 52. Aufl., § 21 Rdnr. 8 und Meyer-Goßner, a.a.O., § 318 Rdnr. 15 jeweils m.w.N.; OLG Köln NStZ 1989, 24 f.; Senatsbeschluss vom 4. Januar 2001 - 4 Ss 1237/00 -).
Dieser Rechtsfehler belastet den Angeklagten nicht, da sich diese Frage, zumal sie auch nicht in die Erwägungen zur Frage einer Unterbringung nach § 64 StGB eingeflossen ist, nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
3.
Ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern sind die Ausführungen zu der erkannten Freiheitsstrafe. Die insoweit erkannten Rechtsfolgen der Tat sind jedoch angemessen, so dass der Senat insoweit auf den Verwerfungsantrag der Generalstaatsanwaltschaft in die Lage versetzt ist, gemäß § 354 Abs. 1 a StPO von der Aufhebung des Urteils abzusehen.
Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht nicht zu erkennen gegeben, ob es bei der festzusetzenden (Haupt-)Strafe vom Normalstrafrahmen des § 316 Abs. 1 StGB oder aber von dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen ausgegangen ist. Diese Frage durfte angesichts der festgesetzten Freiheitsstrafe von fünf Monaten schon deshalb nicht offen bleiben, weil die gesetzliche Höchststrafe im ersten Fall ein Jahr Freiheitsstrafe, im anderen Fall jedoch nur neun Monate beträgt.
Unter Berücksichtigung der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Strafrahmenverschiebung bei alkoholbedingt erheblich verminderter Schuldfähigkeit (vgl. u.a. BGH, 3. Strafsenat, EBE/BGH 2003, 196 = StV 2003, 497 = NStZ 2003, 480 = NJW 2003, 2394; BGH, 4. Strafsenat, NStZ-RR 2003, 136, 137; BGH, 5. Strafse...