Verfahrensgang

LG Duisburg (Entscheidung vom 21.05.1996; Aktenzeichen 23/(7) S 447/95)

AG Oberhausen (Aktenzeichen 33 C 377/95)

 

Tenor

Dem Bundesgerichtshof wird gem. § 541 Abs. 1 S. 3 ZPO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt.

Kann der Vermieter, der nach dem Tod des Mieters das Mietverhältnis aufgrund des Sonderkündigungsrechts gemäß § 569 BGB gegenüber dem Erben des Mieters kündigt, auch dann nur unter den Voraussetzungen des § 564 b BGB kündigen, wenn der Erbe mit dem verstorbenen Mieter in der Wohnung keinen gemeinsamen Hausstand geführt hat und nicht gemäß § 569 a BGB in das Mietverhältnis eingetreten ist?

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnhauses in Oberhausen. Die im Erdgeschoß gelegene Wohnung war an die Mutter des Beklagten vermietet, welche Ende 1994 verstarb und von dem Beklagten und seiner Schwester beerbt worden ist. Der Beklagte selbst ist Mieter einer im ersten Obergeschoß des Hauses der Klägerin gelegenen Wohnung.

Nach dem Tode der Mutter des Beklagten kündigte die Klägerin mit Schreiben an die Erbengemeinschaft vom 02.01.1995 das Mietverhältnis über die im Erdgeschoß gelegene Wohnung ohne Angabe von Gründen zum 31.03.1995. Die Erben wiesen mit Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 31.01.1995 die Kündigung zurück und teilten unter Hinweis auf § 569 a BGB mit, daß der Beklagte das Mietverhältnis fortsetzen werde.

Gegen die beim Amtsgericht Oberhausen erhobene Räumungsklage hat sich der Beklagte mit der Behauptung verteidigt, er habe ebenfalls in der Erdgeschoßwohnung gewohnt. Die Wohnung im ersten Obergeschoß habe er nur gelegentlich zum Übernachten genutzt.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Räumung der Erdgeschoßwohnung verurteilt.

Das mit der Berufung des Beklagten befaßte Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme über die Frage, ob der Beklagte bei seiner verstorbenen Mutter in der Erdgeschoßwohnung gewohnt hat, dem Senat die aus dem Tenor zu entnehmende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt. Es hält die Vorlagefrage für entscheidungserheblich und möchte darin von den Rechtsentscheiden des OLG Hamburg vom 21.09.1983 – 4 U 42/83 (ZMR 1984, 247), des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 04.12.1984 – REMiet 2/84 – (ZMR 1985, 97) und des OLG Karlsruhe vom 29.12.1989 – 3 ReMiet 2/89 – (ZMR 1990, 108) abweichen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das OLG Hamm ist für die Entscheidung über die Vorlage zuständig (§ 541 Abs. 2 ZPO, § 1 der Verordnung zur Zusammenfassung der Verfahren über Rechtsentscheide in Mietsachen vom 23.04.1991 – GVBl NW S. 202).

Die Vorlage des Landgerichts ist gem. § 541 Abs. 1 S. 1 ZPO zulässig. Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum ergibt. Sie ist für die Entscheidung des Landgerichts über die Berufung erheblich.

1.

Das Landgericht hat sich allerdings in dem Vorlagebeschluß nicht mit dem Vorbringen der Klägerin befaßt, der Beklagte könne bereits deshalb die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht verlangen, weil er nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins erfülle. Diese Behauptung ist jedoch im Falle der Anwendbarkeit von § 564 b BGB für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung nicht entscheidungserheblich. Zwar kann eine Fehlbelegung i. S. d. §§ 4, 5 WoBindG ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung gem. § 564 b Abs. 1 BGB begründen, wenn die Behörde ihn zur Kündigung auffordert (vgl. OLG Hamm NJW 1982, 2563; LG Hamburg ZMR 1984, 26; Köhler/Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, 4. Aufl., § 116 Rn. 11 m.w.N.). Die Klägerin hat sich jedoch in ihrem Kündigungsschreiben auf diesen Grund nicht berufen, so daß er gem. § 564 b Abs. 3 BGB nicht als berechtigtes Interesse berücksichtigt werden könnte, wenn die Vorschrift anwendbar wäre. Es ist ferner nicht vorgetragen, ob eine entsprechende Aufforderung der Behörde mit der Gefahr wirtschaftlicher Nachteile für die Klägerin ergangen ist oder ob eine Freistellung von der Bindung (§ 7 WoBindG) möglich ist.

Hiernach kann die Entscheidung der Rechtsfrage nicht deshalb dahingestellt bleiben, weil auch bei Anwendung von § 564 b BGB die Kündigung wirksam wäre.

2.

An die Rechtsauffassung des Landgerichts zur Frage der Beweislast für die umstrittene Frage, ob der Beklagte mit der Erblasserin einen gemeinsamen Hausstand geführt hat, sieht sich der Senat, da nicht offensichtlich unhaltbar, gebunden (vgl. Baumbach/Albers, ZPO, 54. Aufl., § 541 Rn. 9 m.w.N.). Ferner hat der Senat nach Durchführung der Beweisaufnahme die Beweiswürdigung des Landgerichts bei der Bewertung der Entscheidungserheblichkeit zugrundezulegen.

III.

Der Senat möchte ebenfalls von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamburg und Karlsruhe und des Bayerischen Obersten Landesgerichts abweichen und legt daher die Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof gem. § 541 Abs. 1 S. 3 ZPO zur Entscheidung vor.

In der Frage, ob die Kündigungsvorschrift des § 564 b BGB im Grundsatz auf die Kündigung nach § 569 BGB anwendbar ist, ...

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