Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn der Betroffene anhand eines von einem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes als Fahrer identifiziert werden soll.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Recklinghausen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 375,- EUR verurteilt. Zudem hat es unter Beachtung des § 25 Abs. 2 a StVG gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen überschritt der Betroffene am 17. Februar 2003 auf der BAB A 43 in Recklinghausen die an der Vorfallstelle auf 80 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 86 km/h. Der Betroffene hat bestritten, das Fahrzeug zur Vorfallszeit geführt zu haben. Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen auf ein vom Vorfall gefertigtes Lichtbild/Radarfoto gestützt und zur Begründung der getroffenen Feststellungen Folgendes ausgeführt:
"Vorstehende Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit das Gericht dieser folgen kann, dem im Hauptverhandlungstermin verlesenen Messprotokoll Bl. 20/21 d.A. sowie der Erörterung des Eichscheins Bl. 22/23 d.A. sowie der Inaugenscheinnahme des Radarfotos Bl. 2 d.A. nebst Inaugenscheinnahme der Vergrößerung Bl. 7 d.A."
...
"Wenn aus der Haltereigenschaft des Betroffenen auch nicht gefolgert werden kann und nicht gefolgert werden darf, er sei Fahrer des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt gewesen, so muss immerhin auch der Schluss möglich sein, dass ein Halter zumindestens gelegentlich sein Fahrzeug selbst führt. Das qualitativ schlechte Radarfoto (Bl. 2 d.A.) sowie die Vergrößerung (Bl. 7 d.A.) lässt zumindest erkennen, dass zum Zeitpunkt der Messung ein Mann in mittleren Jahren und zwar ein Brillenträger das Fahrzeug geführt hat. Das Gericht hatte in der Hauptverhandlung hinreichend Gelegenheit, eine Ähnlichkeit des Betroffenen mit dem Messfoto zu überprüfen. Dabei hat das Gericht festgestellt, dass auch der Betroffene eine Brille trägt, seine Kopfform von der Augenpartie an über das rechte Ohr bis hin zum Kinn spitz zuläuft und größte Ähnlichkeit mit dem Foto Bl. 2 d.A. aufweist. Unter diesen Umständen hat das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass der Betroffene tatsächlich zur Tatzeit sein eigenes Fahrzeug geführt hat und dass die Berufung auf einen angeblichen nahen Angehörigen eine Schutzbehauptung darstellt. Insoweit ist zum einen zu fragen, welche Gründe auch heute noch bestehen, den angeblichen Fahrer nicht zu benennen. Diesem drohen ja, nachdem insoweit Verjährung eingetreten ist, keinerlei Nachteile. Außerdem erhebt sich naturgemäß die Frage, welcher nahe Verwandte neben dem Betroffenen so große Ähnlichkeit mit dem auf dem Foto Bl. 2 d.A. befindlichen Fahrer haben soll."
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.
Schon die Überprüfung des Urteils auf die vom Betroffenen erhobene Sachrüge hin lässt einen Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennen. Die Ausführungen im Urteil zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer anhand des anlässlich des Vorfalls gefertigten Lichtbildes/Radarfotos halten einer rechtlichen Prüfung nicht Stand. Sie entsprechen nicht den Anforderungen, die seitens der obergerichtlichen Rechtsprechung an die Darlegung der Identifizierung des Betroffenen in den Urteilsgründen gestellt werden. Danach müssen die Urteilsgründe dem Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit zur Prüfung der Geeignetheit des Fotos zur Identifizierung des Betroffenen eröffnen. Dies kann in der Weise geschehen, dass sofern das bei den Akten befindliche Foto für eine Identifizierung grundsätzlich geeignet ist, auf dieses vom Tatrichter in den Urteilsgründen gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen wird. Eine zusätzliche Beschreibung einzelner Identifizierungsmerkmale ist dann entbehrlich (vgl. BGH, NZV 1996, 157; Senat, Beschluss vom 19. Mai 1998 in 2 Ss OWi 553/98 = NStZ-RR 1998, 238, 239; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Februar 2003 in 3 Ss OWi 631/02). Das anlässlich des Vorfalls gefertigte Foto wird auf Grund einer solchen Bezugnahme zum Bestandteil der Urteilsgründe. Die Bezugnahme muss jedoch deutlich und zweifelsfrei sein. Den Ausführungen muss eindeutig zu entnehmen sein, dass das Foto zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht werde...