Leitsatz (amtlich)
Zur ordnungsgemäßen Bezugnahme auf ein von einem Verkehrsverstoß gefertigtes Lichtbild zur Identifizierung des Betroffenen als Führer des Pkw zum Vorfallszeitpunkt.
Verfahrensgang
AG Recklinghausen (Entscheidung vom 09.03.2004) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274) StVO in Verbindung mit §§ 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 550,00 EURO verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 5. Oktober 2003 auf der BAB A 43 die an der Vorfallsstelle auf 80 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 65 km/h überschritten. Der Betroffene hat zu der Frage, ob er Fahrer des Pkw gewesen sei, keine Angaben gemacht. Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen auf ein vom Vorfall gefertigtes Lichtbild/Radarfoto gestützt.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat formelhaft, ohne auf die Besonderheiten des angefochtenen Urteils einzugehen, beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.
1.
Soweit der Betroffene die Verletzung formellen Rechts rügt und die Aufklärungsrüge erhebt, ist diese unzulässig, da sie nicht den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Danach ist die Aufklärungsrüge in zulässiger Form nur erhoben, wenn die Rechtsbeschwerde die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, benennt und mitteilt, welche Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 244 Rn. 81 mit weiteren Nachweisen). Der Betroffene hat es jedoch bereits unterlassen, konkrete Beweistatsachen zu benennen.
2.
Die erhobene Sachrüge hat hingegen zumindest einen vorläufigen Erfolg, da die Feststellungen im angefochtenen Urteil zur Täterschaft des Betroffenen einen Rechtsfehler erkennen lassen. Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt:
"Bezüglich der Frage, wer zum Tatzeitpunkt das Fahrzeug XXXXXXX geführt hat, hat der Betroffene sich nicht geäußert. Das Gericht ist daher bezüglich entsprechender Feststellungen auf eine Inaugenscheinnahme des Messfotos Bl. 2 d.A. und der verbesserten Ausführung Bl. 8 d.A. sowie einen Vergleich mit dem Aussehen des Betroffenen angewiesen. Das Gericht hat im Hauptverhandlungstermin aufgrund des gewonnenen Eindrucks und des Vergleichs festgestellt, dass der Betroffene Brillenträger ist, seine Kopfform der des abgelichteten Fahrers entspricht (längliche Kopfform, keine sonstigen Auffälligkeiten). Das Gericht geht daher davon aus, dass der Betroffene selbst das Fahrzeug geführt hat und es ihm möglich gewesen wäre, ggfls. einen anderen als Fahrer zu benennen. Immerhin ergibt sich aus dem Foto Bl. 8 d.A., dass noch eine Beifahrerin im Fahrzeug des Betroffenen saß. Der Betroffene selbst ist auch unter dem 24.02.2004 darauf hin gewiesen worden, dass er ggfls. darlegen könne, wo er sich zum Zeitpunkt der Messung aufgehalten habe.
....
Dies wird nicht den Anforderungen gerecht, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Darlegung im Urteil zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer mittels eines Beweisfotos gestellt werden (zu vgl. BGH NZV 1996, 157, 158). Danach müssen die Urteilsgründe dem Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit zur Prüfung der Geeignetheit des Fotos zur Identifizierung des Betroffenen eröffnen. Hierzu kann das Tatgericht im Urteil gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG auf das zur Akte genommene Foto Bezug nehmen, wenn es sich um ein zur Identifizierung generell geeignetes Beweisfoto handelt. Weitere Angaben sind dann entbehrlich, da das Rechtsbeschwerdegericht das Foto aus eigener Anschauung würdigen kann. Die Anwendung des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO setzt jedoch stets voraus, dass das Urteil die Bezugnahme deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck bringt (zu vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 267 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Alle Bußgeldsenate des Oberlandesgerichts Hamm haben sich dieser Rechtsprechung des BGH angeschlossen (vgl. aus der Rechtsprechung des Senats zuletzt Beschluss vom 18. September 2003 in 2 Ss OWi 595/03 sowie u.a. auch Senat in DAR 1996, 245 = NStZ-RR 1996, 244; sowie 5. Senat für Bußgeldsachen in zfs 200, 577 und 3. Senat für Bußgeldsachen in NZV 2003, 102, jeweils mit weiteren Nachweisen, vgl. auch die Zusammenstellung der Rechtsprechung der Bußgeldsenate des OLG Hamm zu dieser Frage auf www.burhoff.de).
Diese Voraussetzungen werden durch das angefochtene Urteil nicht erfüllt. Eine...