Entscheidungsstichwort (Thema)

tätlicher Angriff. Vorsatz. Körperverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein tätlicher Angriff ist eine mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten oder Soldaten zielende Einwirkung. Eine körperliche Berührung oder auch nur ein darauf zielender Vorsatz des Täters ist nicht erforderlich. Jedenfalls eine objektiv gefährliche, verletzungsgeeignete Handlung kann auch dann, wenn der Täter keinen Verletzungsvorsatz hat, ein tätlicher Angriff sein.

 

Normenkette

StGB §§ 114, 64

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 04 Ns 47/18)

 

Tenor

Die Revision wird mit der klarstellenden Maßgabe, dass der Angeklagte des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bzw. eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz schuldig ist, als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen "vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, zweimal in Tateinheit mit Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Gleichzeitig ordnete es eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von 30 Monaten an. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen und das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz sowie in einem Fall in Tateinheit mit einem tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte schuldig ist, und hat ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von noch 27 Monaten festgesetzt.

Der Verurteilung liegen eine Tat vom 27.09.2017 und eine vom 14.01.2018 zu Grunde.

Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der - auch schon einschlägig vorbestrafte - Angeklagte, der keine Fahrerlaubnis besaß und auch noch nie besessen hatte, am 27.09.2017 mit einem PKW nach B, um dort seine ehemalige Lebensgefährtin aufzusuchen. Er klingelte an ihrer Tür. Die ehemalige Lebensgefährtin fühlte sich von dem Angeklagten belästigt, öffnete die Tür nicht und rief stattdessen die Polizei. Der Angeklagte begab sich zurück in das Fahrzeug und fuhr zunächst im Schritttempo weiter. Zwei inzwischen in der Nähe der Wohnung der ehemaligen Lebensgefährtin eingetroffene Polizeibeamte vermuteten zu Recht in dem langsam fahrenden Fahrzeug den Angeklagten.

In den Feststellungen des Landgerichts heißt es sodann:

"Sie beabsichtigten deshalb, das Fahrzeug zu kontrollieren und begaben sich zurück auf die L-Straße. Dort stellten sie sich in Höhe des Einmündungsbereiches der F-Straße auf die Fahrbahn der L-Straße. Während der Zeuge M mittig auf der Fahrbahn stand, stellte sich der Zeuge N leicht versetzt zum - aus seiner Position - rechten Fahrbahnrand hinter dem Zeugen M auf. Beide Polizeibeamte nahmen ihre LED-Taschenlampen in die Hand und leuchteten jeweils in Richtung des sich ihnen nähernden Fahrzeugs. Der Zeuge M erhob zusätzlich die andere Hand und bedeutete dem Angeklagten auf diese Weise, er möge anhalten. Zu jenem Zeitpunkt befand sich der PKW H, den der Angeklagte steuerte, nach Schätzung der Beamten noch etwa 30 bis 40 m von ihnen entfernt. Der Angeklagte, der aus seiner Position klar erkennen konnte, dass das Anhaltezeichen ihm galt und der befürchteten musste, dass im Falle der Kontrolle in laufender Bewährungszeit ein neuerliches Verfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen ihn eingeleitet werden würde, fuhr noch etwa 10 m in einem nur knapp über Schrittgeschwindigkeit hinausgehendem Tempo geradeaus weiter. Als er sich schließlich in einer Entfernung von 20 bis 30 m zu dem Zeugen M befand, beschleunigte er den PKW sodann aber plötzlich deutlich und fuhr mit aufheulendem Motor unmittelbar auf den Körper des mitten auf der Straße stehenden Zeugen M, den er aufgrund der Straßenverhältnisse weder rechts noch links gefahrlos hätte passieren können, zu. Als der Zeuge M realisierte, dass der Angeklagte dem Stopp-Zeichen nicht Folge leisten würde, sondern sein Fahrzeug stattdessen beschleunigte und direkt auf ihn zufuhr, trat er rasch 2 Schritte zur Seite in Richtung des Zeugen N, um von dem Fahrzeug nicht erfasst zu werden. Ohne eine weitere Lenkbewegung zu vollziehen, setzte der Angeklagte seine Fahrt geradeaus fort. Er passierte den Zeuge M etwa 2 Sekunden nachdem dieser sich zum Räumen der Straße entschlossen hatte im Abstand von ca. einer Armlänge; beim Vorbeifahren des PKW konnte der Zeuge M den Windzug des Fahrzeugs deutlich spüren.

Der Angeklagte wollte durch sein Fahrverhalten erreichen, dass die Beamten die Straße freigaben und ihn ungehindert passieren ließen, ohne zuvor Feststellungen zu seiner Person und seiner fehlenden Berechtigung zum Führen von Kraf...

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