Leitsatz (amtlich)
Kommt es in Betracht, ein Fahrverbot zu verhängen, muss der Betroffene darauf hingewiesen werden.
Verfahrensgang
AG Minden (Entscheidung vom 11.01.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Minden hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 100,- Euro und einem Fahrverbot von 1 Monat verurteilt.
Das Amtsgericht hat zur Sache die folgenden Feststellungen getroffen:
"Am 15.01.2004 befuhr er gegen 20.28 Uhr die BAB 2 Porta Westfalica FR Dortmund mit seinem Fahrzeug XXXXX.
In Höhe des Kilometers 283,850 - im Bereich einer 50 km/h -Beschränkung - wurde er vom Verkehrsmessgerät Multanova Typ MU VR 6 F, geeicht bis zum 31.12.2004, erfasst. Das Gerät wurde nach Segmentprüfung um 14.45 Uhr aufgestellt und war bis 21.30 Uhr in Betrieb.
Das klare Messfoto zeigt das Fahrzeug annähernd in Bildmitte, andere Fahrzeuge, die den Messvorgang beeinträchtigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Bis zum Messpunkt durchfuhr der Betroffene eine Fahrtstrecke mit folgender Beschilderung:
km 281,950 Z. 123 Baustelle 800 m r+l
km 282,000 Z. 274 100 km/h r+l
km 282,150 Z. 500 Überleitung von drei auf zwei Fahrstreifen nach rechts 600 m r+l
km 282,250 Z. 274 80 km/h r+l
km 282,350 Z 500 Überleitung von drei auf zwei Fahr streifen nach rechts 400 m r+l
km 282,450 Z.276 Überholverbot Lkw, Busse, Pkw m. Anhänger r+l
km 282,550 Z. 500 Überleitung von drei auf zwei Fahr streifen nach rechts 200 m r+l
km 282,650 Z. 274 60 km/h mit Zusatzzeichen Radarkontrolle r+l
km 282,750 Z.276 Überholverbot f. Lkw, Busse, Pkw mit Anhänger r+l
km 282,850 Z. 500 Überleitung nach links 200 m r+l
km 283,030 Z. 274 50 km/h mit Zusatzzeichen Radarkontrolle r+l
km 283,300 Z. 274 50 km/h r+l
km 283,480 Z.274 50 km/h mit Zusatzzeichen Gefahrenstelle r+l
km 283,850 Standort der Radarmessstelle am rechten Fahrbahnrand.
Die von dieser Strecke vorhandene Bilderfolge wurde ebenfalls eingesehen und zur Urteilsgrundlage gemacht.
Damit war von einem Messwert von 82 km/h und einem verwertbaren Wert von 79 km/h auszugehen. Bei der Vielzahl der Warnhinweise, der Vielzahl der Schilder, teilweise mit Radarhinweis - jeweils beidseitig - ist das Gericht von Vorsatz ausgegangen.
Die Vielzahl der Hinweise auf 80 km/h, 60 km/h und letztlich 3 x 50 km/h, einmal mit Hinweis auf Radar, spricht dafür, dass hier gerade kein Übersehen Grundlage des Fahrverhaltens, sondern ein bewusstes Zuschnellfahren oder die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung rechtfertigen.
Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist die Vorschrift des § 265 StPO anzuwenden (Göhler § 71, Rn 50 m.w. N.).
Daraus folgt, dass der Betroffene z.B. darauf hingewiesen werden muss, wenn die Festsetzung der Geldbuße auf eine andere Bußgeldvorschrift als die im Bußgeldbescheid angegebene gestützt wird.
Der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Bußgeldbescheid des Kreises Minden-Lübbecke vom 6.5.2004 sah ein Bußgeld wegen Geschwindigkeitsüberschreitung von 50,- Euro vor.
Die Nichtangabe der Schuldform im Bußgeldbescheid hat zur Folge, dass in der Regel von dem Vorwurf fahrlässigen Handelns auszugehen ist (vgl. BayObLG DAR 1988, 368; OLG Hamm VRS 61, 292, 293; MDR 1973, 783; Göhler OWiG, 13. Aufl., § 71 Rn 50 mwN). Das hat die Verwaltungsbehörde erkennbar auch getan, denn sie hat sich mit ihren Sanktionen an die im Bußgeldkatalog vorgegebenen, von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgehenden Regelsätze gehalten (vgl. §§ 1 II , 2 I BKatV). Die Anordnung eines Fahrverbotes war dagegen im Bußgeldbescheid nicht vorgesehen.
Zwar handelt es sich bei dem Fahrverbot nach § 25 StVG weder um einen besonders vorgesehen Umstand, der die Strafbarkeit erhöht, noch um eine Maßregel der Besserung und Sicherung im Sinne des § 265 Abs. 2 StPO, sondern um eine Nebenfolge (Henschel § 25 StVG Rn. 11).
In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO ein Hinweis erforderlich ist, wenn der Tatrichter ein im Bußgeldbescheid nicht angeordnetes Fahrverbot verhängen will (BGHSt 29, 274; Göhler § 71 Rn 50; Bohnert Kommentar zum OWiG, 2003, § 71 84, Rebmann/Roth/Herrmann OWiG 3. Aufl (März 1998) § 74 Rn 9 mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung).
Der BGH folgert dies aus der Notwendigkeit, für die Verhängung des Fahrverbots gemäß § 25 StVG über die bloße Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit hinausgehende Feststellungen zu treffen. Dieses Erfordernis rechtfertige eine entsprechende Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO, der die Fälle betreffe, in denen ein bestimmtes Merkmal zum gesetzlichen Tatbestand hinzutritt und dadurch die Strafbarkeit erhöht oder die Anordnung der Maßnahme der Besserung und Sicherung rechtfertigt.
Hinzu kommt, dass § 265 StPO eine...