Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an ein Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen.
Verfahrensgang
AG Bottrop (Entscheidung vom 30.11.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bottrop zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 30.11.2005 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 58 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 350,- EUR verurteilt.
Nach den Urteilsfeststellungen überschritt der Betroffene am 29.05.2005 gegen 09.25 Uhr mit dem von ihm geführten Dienstwagen der Firma M. auf der BAB A 42 in Fahrtrichtung Dortmund außerhalb geschlossener Ortschaft die im Bereich der Messstelle durch Verkehrszeichen 274 auf 80 km/h beschränkte Geschwindigkeit um 58 km/h. Der Messstelle gingen mehrere Geschwindigkeitsbegrenzungen voraus. Bei Kilometer 25,000 ist die Geschwindigkeit durch beidseitig aufgestellte Schilder auf 120 km/h, bei Kilometer 25,401 auf 100 km/h und bei Kilometer 25,856 nochmals durch beidseitig aufgestellte Verkehrsschilder auf 100 km/h begrenzt. Bei Kilometer 26,200 und 26,515 folgen jeweils beidseitig aufgestellte Schilder, mit denen die Geschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt wird.
Zu den persönlichen Verhältnissen hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene als Abteilungsdirektor bei der M. tätig ist und dass seine Einkommensverhältnisse geregelt sind.
Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:
"Der Bußgeldkatalog sieht bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 58 km/h außerhalb der geschlossenen Ortschaft eine Geldbuße von 150,- EUR und ein Fahrverbot von einem Monat vor.
Die Verhängung eines Fahrverbotes wäre eine Härte ganz außergewöhnlicher Art. Der Betroffene ist Abteilungsleiter bei der M.AG. Die Privatbank betreut Kunden in ganz Deutschland und im benachbarten Ausland in Sachen Vermögensanlage. Sie unterhält Niederlassungen in Düsseldorf, Köln, Münster und Bielefeld. Der Betroffene pendelt zwischen den einzelnen Niederlassungen, wo er im bestimmten Umfang Präsenz zeigen muss. Ganz überweigend muss der Betroffene jedoch Beratungstermine bei Kunden vor Ort wahrnehmen. Diese Termine werden vom Sekretariat der Bank vereinbart und sodann vom Betroffenen wahrgenommen. In der letzten Novemberwoche hat der Betroffene Kundengespräche in Köln, Frankfurt und Stuttgart wahrgenommen. In der ersten Dezemberwoche wird der Betroffene zwei Tage zu Kundengesprächen in den Niederlanden sein. Ein zusammenhängender Urlaubsanspruch von einem Monat besteht nicht.
Der Betroffene, der die Fahrerlaubnis seit nunmehr 15 Jahren besitzt, hat nach der letzten Bußgeldentscheidung ein Seminar mit dem Ziel des Punkteabbaus erfolgreich durchgeführt.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist von der Verhängung eines Fahrverbotes unter deutliche Anhebung der Geldbuße abgesehen worden."
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird und die sich insbesondere gegen das Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes richtet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich der Rechtsbeschwerde unter ergänzenden Ausführungen angeschlossen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist bei zutreffender Auslegung ausweislich ihrer Begründung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Sie ist zulässig und hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils im Rechtsfolgenausspruch.
Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbotes nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. Senatsentscheidungen vom 04.03.05 - 3 SSs OWi 3/05 -; vom 04.03.2004 - 3 Ss OWi 769/03 - ; 04.07.2002 - 3 Ss OWi 339/02 - ; 06.06.2000 - 3 Ss OWi 237/00 -; 20.03.1997 - 3 Ss 0Wi 52/97 -; 06.02.1997 - 3 Ss OWi 13/97).
Nach der oberger...