Leitsatz (amtlich)

Das Vorleben streng islamischer Werte seitens der Kindesmutter (z.B. Tragen einer Vollverschleierung; stark eingeschränkter Kontakt zu Personen des anderen Geschlechts) stellt sich als nachteilig im Hinblick auf deren Erziehungseignung dar. Gleichwohl kann die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter gerechtfertigt sein, wenn sonstige Gesichtspunkte, wie z.B. die Kontinuität der Lebensverhältnisse, die Bindungen des Kindes sowie dessen tragfähiger ausdrücklicher Wille für die Kindesmutter sprechen.

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 01.03.2016; Aktenzeichen 109 F 325/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den am 01.03.2016 verkündeten Beschluss des AG - Familiengericht - Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kindesvater.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern haben sich erst kurz vor der Zeugung des Kindes kennen gelernt. Die Kindesmutter ist in Deutschland geboren, hat dann aber ihre ersten elf Lebensjahre in Serbien verbracht. Nach dem Umzug nach Deutschland hat sie zunächst ein Gymnasium besucht und dann auf einer Gesamtschule das Fachabitur absolviert. Aufgrund der frühen Schwangerschaft hat sie keine weitere Ausbildung gemacht.

Der Kindesvater ist in Nigeria aufgewachsen und im Jahr 2004 nach Deutschland gekommen. Er hatte zwölf Jahre lang die Schule besucht, jedoch keine Ausbildung absolviert. Seine Familie ist in Nigeria verblieben. In Deutschland hat er nach eigenen Angaben lediglich zwei Monate lang eine Schule besucht, weil er ein Studium angestrebt habe. Einen Abschluss hat er jedoch nicht gemacht, sondern stattdessen in verschiedenen Bereichen gearbeitet, zeitweise als Lagerarbeiter.

Die Beteiligten haben sich offensichtlich im Jahr 2005 kennen gelernt und sind eine Beziehung eingegangen, in deren Rahmen die Kindesmutter kurze Zeit später schwanger geworden ist. Mit Urkunde vom 21.4.2006 wurde eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Inwieweit die Beziehung nach der Geburt verlaufen ist, wird von den Kindeseltern unterschiedlich dargestellt. Während die Kindesmutter angibt, der Kindesvater habe sich wenig bis gar nicht um sie und das Kind gekümmert, hat der Kindesvater angegeben, dass man sich in der Folgezeit gemeinsam um die Tochter gekümmert habe, wobei er jedoch auch viel unterwegs gewesen sei; gelebt haben die Kindeseltern von den Einkünften der Kindesmutter, die sie vom Jobcenter erhalten hat. Die Kindesmutter hat angegeben, der Kindesvater sei ihr gegenüber bereits zum Ende der Schwangerschaft hin gewalttätig gewesen und dies habe sich auch nach der Geburt des Kindes regelmäßig fortgesetzt. Der Kindesvater habe auch unmittelbar nach der Geburt andere Partnerinnen gehabt. Unstreitig hat er sich wohl nach der Geburt überwiegend in der Wohnung der Kindesmutter aufgehalten, war aber häufiger abwesend. Der Kindesvater und ihm folgend wohl auch die Kindesmutter haben jedenfalls in der Vergangenheit während der frühen Kindheit des Kindes regelmäßig Cannabis konsumiert, der Kindesvater auch häufiger in erheblichen Mengen Alkohol. Im Oktober 2008 ist angesichts einer weiteren tätlichen Auseinandersetzung die Beziehung beendet gewesen. Gleichwohl ist der Kindesvater offensichtlich in der Wohnung der Kindesmutter verblieben. Im März 2009 erfolgte allerdings der Umzug der Kindesmutter mit dem Kind in eine andere Wohnung.

Der Kindesvater hat dagegen angegeben, dass es zwar teilweise verbale Auseinandersetzungen mit der Kindesmutter gegeben habe, aber keinerlei Ausübung von Gewalt. Der Kindesvater hat angegeben, er sei aus der Wohnung ausgezogen.

Auch die Angaben der beteiligten Kindeseltern zu den Umgangskontakten mit dem Kind nach der Trennung sind sehr unterschiedlich. Die Kindesmutter hat angegeben, dass sich der Kindesvater sehr unzuverlässig verhalten habe und Umgangskontakte nur unregelmäßig erfolgt seien. Der Kindesvater habe sich oftmals nicht an Absprachen gehalten. Auch in diesem Zeitraum ist ganz offenbar regelmäßiger Cannabiskonsum durch die Kindesmutter erfolgt. Ungefähr Anfang des Jahres 2011 sind dann Umgangskontakte zum Kindesvater aufgrund eines Konflikts abgebrochen worden. Kontakte der beteiligten Eltern miteinander waren ebenfalls selten und endeten nach Angaben der Kindesmutter mit weiteren Gewalttätigkeiten seitens des Kindesvaters. Ein vorläufig letzter Kontakt hat im Rahmen der Einschulung des Kindes im Herbst 2012 stattgefunden, wobei sich der Kindesvater auch hierbei verspätet habe. Auf weitere Versuche der Kindesmutter, Kontakt mit dem Kind zu haben, sei der Kindesvater nicht eingegangen. Erst im Jahr 2014 habe er unvermittelt vor der Haustür der Kindesmutter gestanden und lautstark gefordert, seine Tochter zu sehen.

Der Kindesvater hat dagegen gegenüber der Sachverständigen angegeben, er habe seine Tochter über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren nach der Trennung regelmäßig, zeitweise jedes Wochenende getroffen. Au...

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