Normenkette
BKatV § 1 Abs. 2; BkatV § 4; BKatV § 4 Abs. 1, 1 Nrn. 1-4, Abs. 2, 2 S. 2; StVG § 25 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2a; OWiG § 79 Abs. 6
Verfahrensgang
AG Herford (Aktenzeichen 11 OWi 217/08) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "einer fahrlässigen außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h" zu einer Geldbuße von 400 Euro verurteilt. Von der Verhängung des Regelfahrverbots nach § 4 Abs. 2 BKatV hat es unter Erhöhung der Regelgeldbuße abgesehen.
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die - ausweislich ihrer Begründung und der Antragstellung der Generalstaatsanwaltschaft als auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt anzusehende - Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG), zulässig und begründet.
1.
Die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Amtsgericht meinte, das Regelfahrverbot nach § 4 Abs. 2 BKatV bei Erhöhung der Geldbuße wegfallen lassen zu können, weil die vorliegende Geschwindigkeitsüberschreitung nur 2 km/h über der Grenze nach § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV läge, die des recktskräftig gehandeten, relevanten Vorverstoßes gar nur um 1 km/h. Vorliegend habe es sich bei dem Tatort um einen autobahnmäßig ausgebauten Teil einer Bundesstraße gehandelt und das Ende der Ausbaustrecke sei noch einige hundert Meter entfernt gewesen, so dass Kraftfahrer in Höhe des stationären Geschwindigkeitsmessgeräts "nicht unbedingt Veranlassung sehen" gemäß der Beschilderung langsamer zu fahren. Mangels näherer Erkenntnisse sei hinsichtlich der Vorbelastungen (neben der geschilderten noch eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 km/h) anzunehmen, dass sich diese ebenfalls auf gut ausgebauten Ausfallstraßen ereignet hätten. Schließlich gebe es auch erhebliche berufliche Gründe für den Wegfall des Fahrverbots, da der Betroffene als leitender Angestellter eines Autohauses mehrere Standorte zu betreuen habe und flexibel einsetzbar sein müsse.
b) Dass der Umstand, dass sich die im Rahmen des § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV relevanten Geschwindigkeitasverstöße im unteren Bereich aufhalten, nicht ausreicht, um das Absehen von einem Fahrverbot zu begründen, ist ständige obergerichtliche Rechtsprechung, auch des Oberlandesgerichts Hamm. So hat der 5. Strafsenat in seinem Beschluss vom 30.06.2008 - 5 SsOWi 387/08 - (juris) Folgendes ausgeführt:
"Die Erfüllung eines der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 - 4 BKatV geregelten Tatbestände indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes i. S. v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf (vgl. BGH St 38, 125 = NZV 1992, 117). Dabei betrifft die Indizwirkung - soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte erkennbar sind - auch die subjektive Seite des Vorwurfs (vgl. BGH NJW 1997, 3252; OLG Hamm NZV 1999, 92; OLG Karlsruhe DAR 2002, 229). Allerdings hat der Tatrichter, was das Amtsgericht nicht verkannt hat, dabei auch stets zu prüfen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die ausnahmsweise, insbesondere unter Beachtung des Übermaßverbotes, das Absehen vom (Regel-) Fahrverbot rechtfertigen (vgl. BGH St 38, 231, 237; OLG Hamm NZV 2003, 103; 1997, 185). Dabei steht dem Tatrichter allerdings kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen zu. Von der Anordnung eines nach § 4 BKatV indizierten Fahrverbotes kann im Einzelfall nur dann abgesehen werden, wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände vorliegen, die einen Ausnahmefall begründen (vgl. BGH NZV 1992, 117, 119; OLG Hamm DAR 2003, 398; NZV 1997, 281; BayObLG NZV 1996, 374; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 24), wobei das Abweichen von der Regelahndung in jedem Fall einer eingehenden, auf Tatsachen gestützten Begründung bedarf (vgl. BGH a.a.O.; OLG Hamm NZV 2003, 103; VRS 91, 67; BayObLG VRS 88, 303). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Den diesbezüglichen, äußerst knapp gehaltenen Ausführungen des Amtsgerichts sind keine Umstände zu entnehmen, die allein oder im Zusammenspiel einen Ausnahmefall begründen könnten, bei dem ein Absehen vom Regelfahrverbot gerechtfertigt oder geboten erscheint. Allein der Umstand, dass die für die Indizierung eines Fahrverbotes maßgebliche Grenze einer Geschwindigkeitsüberschreitung nur knapp (hier um 1 km/h) überschritten wurde, begründet noch keinen Ausnahmefall (vgl. OLG Köln, VRS 105, 296; OLG Düsseldorf VRS 94, 282; OLG Hamm, Beschluss vom 09. Mai 2006 - 4 SsOWi 896/05 - zum Atemalkoholgrenzw...