Leitsatz (amtlich)

1) Der Erwerb einer Vielzahl von Sondereigentumseinheiten in der eigenen Anlage durch die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft entspricht auch dann nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Maßnahme zur Lösung von Problemen der Gemeinschaft beitragen soll, die durch eine Vielzahl zahlungsunfähiger oder zahlungsunwilliger Miteigentümer verursacht werden.

2) Ein darauf gerichteter Eigentümerbeschluss ist auch dann für ungültig zu erklären, wenn er zunächst lediglich ein auf den Erwerb von Sondereigentumseinheiten gerichtetes, jedoch Beratungskosten auslösendes Verhandlungsmandat umfasst.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6, § 21

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 08.12.2009; Aktenzeichen 9 T 122/07)

AG Gladbeck (Beschluss vom 11.06.2007; Aktenzeichen 18 II 50/06 WEG)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung aufgehoben.

Der Beschluss des Amtsgerichts Gladbeck vom 11.6.2007 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom 28.7.2006 zu TOP 7 und TOP 9 werden für ungültig erklärt.

Die Beteiligten zu 5) tragen die Gerichtskosten des Verfahrens aller Instanzen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und zu 2) sind Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage. Verwalterin der Anlage war bis zum 30.6.2007 die Beteiligte zu 3). Seit dem 1.7.2007 ist Verwalterin die Beteiligte zu 4).

Die Wohnungseigentümer fassten in der Wohnungseigentümerversammlung am 28.7.2006 mehrheitlich unter anderem folgende Beschlüsse:

  • Unter TOP 7 beauftragten die Wohnungseigentümer die Verwalterin, den Verwaltungsbeirat sowie Rechtsanwalt C, Verhandlungen über den Erwerb von Sondereigentumseinheiten der Miteigentümerin O GmbH (O) zu führen und die Einzelheiten eines notariellen Kaufvertrages auszuhandeln. Die O sollte hierbei aus allen Zahlungsverpflichtungen entlassen werden, insbesondere hinsichtlich des rückständigen und laufenden Hausgeldes.
  • Unter TOP 9 beauftragten die Wohnungseigentümer die Verwalterin, den Verwaltungsbeirat sowie Rechtsanwalt C, Verhandlungen über den Erwerb von Sondereigentumseinheiten anderer Miteigentümer zu führen und die Einzelheiten notarieller Kaufverträge auszuhandeln. Hierbei sollten diese Miteigentümer aus allen Zahlungsverpflichtungen, insbesondere hinsichtlich des rückständigen und laufenden Hausgeldes zuzüglich aller Nebenforderungen, ganz oder teilweise entlassen werden, soweit sie insgesamt aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausscheiden.

Die Verwalterin und der Verwaltungsbeirat wurden ermächtigt, ggf. rechtsanwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Erwerb sollte frei von Grundschulden und Hypotheken erfolgen. Weiter war vorgesehen, dass nach der Umschreibung (TOP 7) bzw. mit der Beurkundung der Verträge (TOP 9) die Stimmrechte für diese Sondereigentumseinheiten von dem Verwaltungsbeirat ausgeübt werden.

Diese Beschlüsse sind Gegenstand des vorliegenden Anfechtungsverfahrens.

Die Beteiligten zu 1) und zu 2) beantragten mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 13.8.2006 und vom 14.8.2006 bei dem Amtsgericht Gladbeck, die vorgenannten Beschlüsse für ungültig zu erklären. Denn die auf die Vorbereitung eines Ankaufs wertloser Immobilien gerichteten Beschlüsse, zumal unter Freistellung von allen Zahlungsverpflichtungen, namentlich rückständiger Hausgelder der O in erheblicher Höhe, seien mit einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage nicht zu vereinbaren.

Dem traten die Beteiligten zu 3) und 5) im Wesentlichen mit Blick auf die besondere Situation der Wohnungseigentumsanlage entgegen. Die lediglich vorbereitend beschlossene Übernahme von Sondereigentumseinheiten zahlungsunfähiger oder zahlungsunwilliger Miteigentümer liege bei wirtschaftlicher Betrachtung im Interesse der Gemeinschaft.

Das Amtsgericht wies die Anträge der Beteiligten zu 1) und zu 2) durch Beschluss vom 11.6.2007 zurück. Auf die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden holte das Landgericht gemäß Beschluss vom 04.12.2007 sein schriftliches Gutachten des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters K in I vom 3.4.2009 ein. Durch Beschluss vom 08.12.2009 wies es die sofortigen Beschwerden zurück.

Gegen diese Entscheidung richten sich nunmehr die sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und zu 2), mit denen sie ihre Beschlussanfechtungsanträge weiter verfolgen. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass ein etwaiger Erwerb von Miteigentumsanteilen, auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verhandlungs- und Erwerbskosten, von vorneherein sinnlos sei. Hierdurch werde weder die wirtschaftliche Situation der Wohnungseigentümergemeinschaft verbessert noch ihr Auftreten nach außen gestärkt. Die Beschlüsse verstießen daher gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung.

Die Beteiligten zu 4) und zu 5) beantragen die Zurückweisung der Rechtsmittel.

II. Die sofortigen weiteren Beschw...

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