Leitsatz (amtlich)
1. Die isolierte Geltendmachung eines Anspruchs auf Trennungsunterhalt weniger als einen Monat nach Einleitung eines Verfahrens auf Kindesunterhalt ist grundsätzlich mutwillig, wenn der Leistungsanspruch im Wege der Antragserweiterung im Kindesunterhaltsverfahren hätte verfolgt werden können.
2. Verfahrenskostenhilfe ist jedoch hinsichtlich der ohnehin angefallenen Kosten zu bewilligen, wenn das Kindesunterhaltsverfahren mittlerweile abgeschlossen ist. Ausgenommen von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sind die im vorangegangen Verfahren bewilligten und abgerechneten Kosten.
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Siegen (Beschluss vom 23.08.2016; Aktenzeichen 15 F 831/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Siegen vom 23.8.2016 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe an das AG - Familiengericht - Siegen zurückverwiesen.
Das Gericht erster Instanz wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht vollständig wegen Mutwillen zu versagen. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist nur insoweit mutwillig, als Verfahrenskostenhilfe bereits in dem Verfahren des AG Siegen unter dem Aktenzeichen 15 F 684/16 bewilligt und abgerechnet wurde.
Die Beschwerdegebühr wird um 50 % ermäßigt; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beteiligten schlossen am ... 2013 die Ehe und leben seit Anfang 2016 getrennt.
Aus der Ehe ging das Kind M, geboren am ... 2014, hervor, das im Haushalt der Antragstellerin lebt. Bei dem AG Siegen machte die Antragstellerin mit Antrag vom 9.5.2016 unter dem Aktenzeichen 15 F 684/16 Ansprüche auf Kindesunterhalt gegen den Antragsgegner geltend; das Verfahren wurde mit Vereinbarung der Beteiligten vom 20.10.2016 beendet.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich mit Antrag vom 2.6.2016 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Verfahren gegen den Antragsgegner auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 690,- EUR sowie Unterhaltsrückstand in Höhe von 4.140,- EUR für die Monate Januar bis Mai 2016 beantragt.
Das Familiengericht hat die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei mutwillig. Die Antragstellerin hätte ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt gemeinsam mit dem Anspruch auf Kindesunterhalt im Wege der Antragserweiterung kostengünstiger geltend machen können.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde und begehrt weiterhin die Bewilligung ratenfreier Verfahrenskostenhilfe für ihren Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt an sie.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 ZPO zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde.
Sie ist - zumindest vorläufig - im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Antrag der Antragstellerin ist mutwillig im Sinne des §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 2 ZPO.
Die Rechtsverfolgung der Antragstellerin ist mutwillig, weil sie ihren Unterhaltsanspruch nicht im Wege der Antragserweiterung in dem Verfahren AG Siegen, Aktenzeichen 15 F 684/16 verfolgt hat.
Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist. Unabhängig von Kostenerwägungen würde eine verständige Partei zudem auch deshalb von der Erhebung einer weiteren gesonderten Klage absehen und stattdessen eine Klageerweiterung im bereits anhängigen Verfahren vorziehen, weil das mit der schon anhängigen Sache befasste Gericht bereits in den komplexen Sachverhalt eingearbeitet ist. Aus Kostengründen wird regelmäßig die Erhebung einer weiteren Klage dann als mutwillig angesehen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch im Wege der Klageerweiterung in einem bereits anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht werden kann (OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.12.2010 - 12 W 2270/10 - MDR 2011, 256).
Es wäre der Antragstellerin ohne weiteres möglich gewesen, den Anspruch auf Trennungsunterhalt im Wege der Antragserweiterung in dem Verfahren betreffend Kindesunterhalt zu verfolgen. Besondere Gründe für eine neue, weitere Klage weniger als einen Monat nach Anhängigkeit des bereits eingeleiteten Verfahrens betreffend Kindesunterhalt hat die Antragstellerin nicht dargetan.
Jedoch ist der Antragstellerin aufgrund der Mutwilligkeit die begehrte Verfahrenskostenhilfe nicht vollständig zu versagen.
Folge des Mutwillens ist allein, dass die Mehrkosten, die sich bei vergleichender Gegenüberstellung isolierter Rechtsverfolgung zur Rechtsverfolgung im Verbund ergeben, von der PKH-Bewilligung ausgenommen werden. Denn die Antragstellerin kann nun nicht mehr auf das Verf...