Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld I und II als Einkommen
Leitsatz (amtlich)
Sowohl Arbeitslosengeld I als auch Arbeitslosengeld II ist als Einkommen gem. § 48 Abs. 3 S. 1 GKG anzusehen und daher bei der Streitwertberechnung einer Ehesache als Nettoeinkommen zu berücksichtigen.
Normenkette
GKG § 48 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
AG Bottrop (Beschluss vom 02.09.2005; Aktenzeichen 14 F 178/05) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Prozessbevollmächtigten der Parteien vom 19.9. und 18.10.2005 wird der Streitwertbeschluss des AG - FamG - Bottrop vom 2.9.2005 abgeändert und der Streitwert auf insgesamt 4.564 EUR festgesetzt (3.564 EUR für die Ehesache + 1.000 EUR für den Versorgungsausgleich).
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hat das FamG beiden Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und den Streitwert für die Ehesache durch den angefochtenen Beschluss auf den Mindestwert von 2.000 EUR festgesetzt. Zuzüglich des Versorgungsausgleichs ist der Streitwert auf insgesamt 3.000 EUR festgesetzt worden. Zur Begründung hat es im Nichtabhilfebeschluss vom 30.9.2005 unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 23.8.2005 ausgeführt, dass die Vermögensverhältnisse hier eine Korrektur nach unten auf den Mindeststreitwert von 2.000 EUR erlauben.
Mit ihrer Beschwerde erstreben die Prozessbevollmächtigten beider Parteien eine Erhöhung des Streitwertes auf insgesamt 4.564 EUR. Dieser errechne sich aus dem dreifachen Wert des monatlichen Einkommens der Parteien. Der Antragsteller beziehe ein monatliches Arbeitslosengeld I i.H.v. 844 EUR, die Antragsgegnerin ein monatliches Arbeitslosengeld II i.H.v. 345 EUR. Rechne man den Versorgungsausgleich hinzu, so ergebe sich ein Betrag von 4.564 EUR.
II. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Parteien ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde richtet sich nach § 68 GKG. Die Beschwerdefrist ist gewahrt. Bei einem angestrebten Streitwert i.H.v. insgesamt 4.564 EUR statt bisher insgesamt festgesetzter 3.000 EUR wird die gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG maßgebliche Beschwerdesumme von 200 EUR überschritten. Hierbei ist die Wahlanwaltsgebühr zu Grunde zu legen, die sich bei einem Wert von 4.564 EUR auf 896,10 EUR und bei einem Wert von 2.000 EUR auf 571,30 EUR beläuft.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Wert einer Ehesache ist gem. § 48 Abs. 2 S. 1 GKG (zuvor § 12 Abs. 2 S. 1 GKG a.F.) unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insb. der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien sowie des Umfangs und der Bedeutung der Sache zu bestimmen. Es ist eine Gesamtschau aller Kriterien vorzunehmen. Die Regelung des § 48 Abs. 3 S. 1 GKG (§ 12 Abs. 2 S. 2 GKG a.F.), wonach in Ehesachen für die Einkommensverhältnisse auf das in 3 Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute abzustellen ist, gibt lediglich einen Anhaltspunkt für die Wertfestsetzung (OLG Hamm, Beschl. v. 25.2.2004 - 11 WF 29/04; Beschl. v. 18.2.2005 - 11 WF 62/05, m.w.N.).
Nach aktueller Rechtsprechung des BVerfG ist es mit der Berufsausübungsfreiheit der Rechtsanwälte nicht vereinbar, den Streitwert für Scheidungen, bei denen beiden Ehegatten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt wird, unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen mit dem Mindeststreitwert von 2.000 EUR anzusetzen (BVerfG, Beschl. v. 23.8.2005 - 1 BvR 46/05, MDR 2005, 1373 m. Anm. Hartung = NJW 2005, 2980 = FamRZ 2006, 24). An der entgegenstehenden, von der Mehrzahl der Senate des hiesigen OLG vertretenen Auffassung hält der Senat nicht mehr fest (zuletzt OLG Hamm, Beschl. v. 18.2.2005 - 11 WF 62/05, m.w.N., so bereits OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2005 - 11 WF 390/05).
Nach Auffassung des Senats ist sowohl das Arbeitslosengeld I als auch das Arbeitslosengeld II als Einkommen gem. § 48 Abs. 3 S. 1 GKG (§ 12 Abs. 2 S. 2 GKG a.F.) anzusehen. Dies entspricht bereits dem Wortlaut. Eine einschränkende Auslegung oder gar eine teleologische Reduktion ist nach Auffassung des Senats nicht geboten. Dass Arbeitslosengeld II nach den meisten Leitlinien der OLG, so auch nach Nr. 2.2 der Hammer Leitlinien, jedenfalls auf Seiten des Pflichtigen, als Einkommen zählt, spricht zudem gegen eine einschränkende Auslegung des Einkommens. Gegen eine einschränkende Auslegung spricht weiter, dass die Regelung des § 48 Abs. 3 GKG (§ 12 Abs. 2 GKG a.F.) die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien zugrunde legt (so auch zur Arbeitslosenhilfe: OLG Dresden v. 13.2.2002 - 22 UF 562/01, FamRZ 2002, 1640; OLG Bremen v. 8.7.2003 - 5 WF 67/03, FamRZ 2004, 961; a.A.: OLG Brandenburg v. 24.3.2003 - 9 WF 21/03, OLGReport Brandenburg 2003, 352 = FamRZ 2003, 1676; OLG Dresden v. 20.11.2003 - 10 WF 745/03, FamRZ 2004, 1225).
Einer weiteren Korrektur des angestrebten Streitwertes für die Ehesache von 3.564 EUR nach unten bedurfte es nach Auffassung des Senats nicht.
Der Antragsteller verfügt nach seinen Angaben (Bl. 1, 2, 8 PKH-Heft I) über ein A...