Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch gegen Entscheidung im Beschlusswege. Verwaltungsbehörde

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum erforderlichen Vortrag der Rüge der Verletzung des § 72 Abs. 1 OWiG durch den Betroffenen gehört, dass die Rechtsbeschwerde mitteilt, dass der Betroffene dem Beschlussverfahren rechtzeitig widersprochen hat. Dabei reicht es aus, dass mitgeteilt wird, dass der Widerspruch nicht gegenüber dem Amtsgericht, sondern schon gegenüber der Verwaltungsbehörde ausgesprochen und nicht ausdrücklich zurückgenommen wurde. Wurde der Widerspruch durch den Verteidiger erklärt, muss dessen Bevollmächtigung zum Zeitpunkt des Widerspruchs vorgetragen werden.

2. Das Schweigen des Betroffenen auf den entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts auf eine beabsichtigte Entscheidung nach § 72 OWiG lässt den einmal erhobenen Widerspruch nicht gegenstandslos werden.

 

Normenkette

OWiG § 72; StPO § 344 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hagen (Aktenzeichen 70 OWi 97/21)

 

Tenor

Die angefochtenen Beschlüsse werden mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 30.09.2021 hat das Amtsgericht im schriftlichen Verfahren gem. § 72 OWiG gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeld in Höhe von 77 Euro verhängt. Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde durch den Betroffenen hat es die Entscheidung mit Beschluss vom 20.10.2021 mit Gründen versehen.

Der Betroffene rügt mit seiner Rechtsbeschwerde eine Verletzung des § 72 OWiG und beantragt,

die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Er macht geltend, dass er in einem Schreiben an die Bußgeldbehörde, als das Verfahren dort noch anhängig war, bereits seinerzeit einer Beschlussentscheidung widersprochen habe.

De Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hagen zurückzuverweisen.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die erhobene Verfahrensrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Hagen. Zu einer Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts bestand kein Anlass (§§ 79 Abs. 3, 6 OWiG; 353 StPO).

Die Verfahrensrüge genügt noch den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO.

Zum erforderlichen Vortrag der Rüge der Verletzung des § 72 Abs. 1 OWiG gehört, dass die Rechtsbeschwerde mitteilt, dass der Betroffene (oder die Staatsanwaltschaft) dem Beschlussverfahren rechtzeitig widersprochen hat. Dabei reicht es aus, dass mitgeteilt wird, dass der Widerspruch nicht gegenüber dem Amtsgericht, sondern schon gegenüber der Verwaltungsbehörde ausgesprochen und nicht ausdrücklich zurückgenommen wurde (vgl. nur: BayObLG, Beschl. v. 10.11.2020 - - 201 ObOWi 1369/20 - juris; KG Berlin, Beschl. v. 09.12.2021 - 3 Ws (B) 337/21 - juris, jew. m.w.N.).

Vorliegend teilt die Rechtsbeschwerde durch Wiedergabe des entsprechenden Schreibens mit, dass ein Rechtsanwalt B in dem gegen den Betroffenen gerichteten Verfahren vor der Bußgeldbehörde einer Beschlussentscheidung widersprochen hat. Eine Vollmacht dieses Rechtsanwalts wird in der Rechtsbeschwerdebegründung, was aber erforderlich wäre (vgl.: BayObLG, Beschl v. 23.06.1975 - 1 Ob OWi 140/75 - juris LS; BayObLG, Beschl. v. 09.10.1980 - 1 Ob OWi 393/80 - juris) nicht (ausdrücklich) mitgeteilt. Gleichwohl lässt sich aus dem Eingangssatz des Schreibens vom 19.11.2020 ("vertrete ich die Interessen des ...") noch hinreichend die Tatsachenbehauptung einer Bevollmächtigung dieses Rechtsanwalts erblickt werden. Somit kann darin auch die hinreichende Tatsachenbehauptung, dass es sich um einen Widerspruch des Betroffenen handele, gesehen werden. Ob eine Bevollmächtigung tatsächlich vorlag, ist dann eine Frage der Begründetheit der Verfahrensrüge.

Weitere Bedenken gegen die ordnungsgemäße Ausführung der Verfahrensrüge bestehen nicht.

Die Verfahrensrüge ist auch begründet. Wie bereits ausgeführt, hat der Betroffene im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde durch einen von ihm bevollmächtigen Verteidiger einer Beschlussentscheidung widersprochen. Von der Tatsache der Bevollmächtigung hat sich der Senat im Freibeweisverfahren überzeugt. Dass der Widerspruch erst am Ende eines zweiseitigen Schreibens im Fließtext ohne besondere Hervorhebung ausgesprochen wurde und dieses Schreiben primär - unter besonderer Hervorhebung - auf Akteneinsicht - gerichtet war, macht ihn nicht unbeachtlich. Denkbar wäre dies allenfalls wegen Rechtsmissbrauchs. Letztendlich kann die Frage dahinstehen. Ein Rechtsmissbrauch liegt jedenfalls hier (noch) nicht vor. Da es sich insgesamt um einen recht kurzen Schriftsatz ha...

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