Verfahrensgang
AG Marl (Entscheidung vom 21.08.2006; Aktenzeichen 15 F 132/06) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 21. August 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.
Der Klägerin werden die Kosten der Berufung auferlegt.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 3.871 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Berufung ist bereits unzulässig, weil die Berufungsfrist nicht gewahrt ist und der Klägerin auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. den §§ 233 ff. ZPO gewährt werden kann.
1.
Die Schriftsätze der Klägerin vom 21.9.2006 (Prozesskostenhilfe- und Wiedereinsetzungsantrag einerseits und ein mit "Berufung und Berufungsbegründung" überschriebener und bereits unterzeichneter Schriftsatz andererseits), die am 23.9.2006 und damit noch innerhalb der (bis zum 25.9.2006 laufenden) Berufungsfrist beim hiesigen Oberlandesgericht eingegangen sind, können nicht in der Weise ausgelegt werden, dass damit schon eine unbedingte - nämlich von der Prozesskostenhilfebewilligung unabhängige - Berufungseinlegung gewollt war. Im Rahmen der Auslegung ist allerdings zu beachten, dass in solchen Fällen, in denen - wie hier - die gesetzlichen Anforderungen einer Berufungsschrift (und zudem einer sogleich erfolgten Berufungsbegründung) erfüllt sind, eine Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt ist, nur dann in Betracht kommt, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. dazu die Entscheidungen BGH NJW 2002, 1352; FamRZ 2004, 1553; FamRZ 2005, 1537 sowie zur Berufungsbegründung FamRZ 2006, 400). Dann kann die Erklärung, die Durchführung der Berufung werde von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht, entsprechend der Auffassung der Klägerin auch die Auslegung rechtfertigen, die Partei lege unbedingt Berufung ein und behalte sich lediglich für den Fall der Versagung der Prozesskostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vor (vgl. BGH FamRZ 2005, 1537 u. FamRZ 2004, 1553).
Vorliegend ergibt sich jedoch mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, dass eine unbedingte und sofortige Berufungseinlegung von der Klägerin gerade noch nicht gewollt war. Da der Prozesskostenhilfe- und Wiedereinsetzungsantrag vom 21.9.2006 und die vom gleichen Tag datierende "Berufung und Berufungsbegründung" gleichzeitig bei Gericht eingereicht worden sind, können im Rahmen der Auslegung die Schriftsätze nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang betrachtet werden. Der Prozesskostenhilfe- und Wiedereinsetzungsantrag vom 21.9.2006 enthält aber deutliche Anhaltspunkte dafür, dass eine sofortige Einlegung der Berufung nicht gewollt war. So wird der für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Säumnis der Berufungsfrist damit begründet, dass die Klägerin finanziell nicht in der Lage sei, die Kosten des Berufungsverfahrens selber zu bezahlen, und deshalb auch unverschuldet daran gehindert sei, die Berufungsfrist einzuhalten. Eine derartige Vorgehensweise und ein solcher Vortrag wären nicht verständlich und zudem gänzlich überflüssig gewesen, wenn die in dem weiteren Schriftsatz vom 21.9.2006 u. a. enthaltene Berufung schon unbedingt eingelegt werden sollte. Denn dann hätte weder von einer Säumnis der Berufungsfrist noch von deren unverschuldeter Nichteinhaltung die Rede sein können. Auch in ihren weiteren Schriftsätzen - nach Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit ihres Rechtsmittels - hat es die Klägerin nicht vermocht, den Sinn ihres Wiedereinsetzungsantrages in nachvollziehbarer Art und Weise zu erklären, sofern man entsprechend ihrer Auffassung eine schon unbedingte Berufungseinlegung unterstellen wollte. Auch die bereits im Prozesskostenhilfe- und Wiedereinsetzungsantrag vom 21.9.2006 zum Ausdruck gebrachte Interessenlage der Klägerin spricht entscheidend für eine solche Betrachtungsweise. Die Klägerin wollte nämlich ersichtlich vermeiden, dass bereits vor einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe von ihr kostenverursachende Prozesshandlungen vorgenommen würden. Dieses Ziel hätte sie aber nicht erreichen können, wenn der Erklärung, dass die Berufung nur im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe durchgeführt werden solle, nur die Bedeutung zugekommen wäre, dass sie sich eine spätere Zurücknahme des Rechtsmittels vorbehalten wollte.
2.
Geht man somit davon aus, dass eine sofortige und unbedingte Berufungseinlegung noch nicht gewollt war, so lag der Beifügung der bereits unterzeichneten Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift vom 21.9.2006 offenbar die - verfehlte - Vorstellung zugrunde, dass diesem Schriftsatz - nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat - gleichsam "automatisch" der Charakter der Rechtsmitteleinlegung und -begründung zukommen würde. Dies kommt jedoch ein...