Leitsatz (amtlich)
1) § 81b Alt. 2 StPO enthält eine Ermächtigungsgrundlage für die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen, die eine etwa erforderliche werdende zwangsweise Vorführung umfasst. Ein Antrag auf eine richterliche Vorführungsanordnung nach § 10 Abs. 3 S. 2 PolG NRW zur Durchführung einer Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO ist unzulässig.
2) Ob § 41 Abs. 1 PolG NRW eine Ermächtigungsgrundlage für eine Wohnungsdurchsuchung zur zwangsweisen Vorführung des Betroffenen zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO umfasst, bleibt offen.
3) Eine richterliche Durchsuchungsanordnung kann jedenfalls erst dann erlassen werden, wenn der Versuch einer Vollstreckung der Vorführung daran gescheitert ist, dass sich der Betroffene in seiner Wohnung verborgen gehalten hat, oder aufgrund anderer Umstände konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die geplante Maßnahme hieran scheitern wird. Solche Umstände müssen von der antragstellenden Behörde konkret belegt werden.
Normenkette
StPO § 81b Alt. 2; PolG NRW § 10 Abs. 3 S. 2, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Lennestadt (Beschluss vom 15.02.2012; Aktenzeichen 8 XIV 5/12) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beteiligte hat gegen Herrn F, geb. am 1.12.1968, wohnhaft L-Straße, M, der Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren ist, nach einer zuvor erfolgten Anhörung durch bestandskräftigen Bescheid vom 6.12.2011 die Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung gem. § 81b Alt. 2 StPO angeordnet und ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes geladen.
Nachdem der Beschuldigte, der bereits zuvor bei seiner Beschuldigtenvernehmung eine solche erkennungsdienstliche Behandlung abgelehnt hatte, zu diesem Termin nicht erschienen ist, hat der Beteiligte bei dem AG Lennestadt zum Zwecke der zwangsweisen Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen eine richterliche Anordnung zur zwangsweisen Vorführung des Beschuldigten sowie zum Betreten und zur Durchsuchung seiner Wohnung beantragt.
Diese Anträge hat das AG durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde.
II. Soweit das AG eine Vorführungsanordnung nach § 10 Abs. 3 S. 2 PolG NRW abgelehnt hat, ist die Beschwerde analog § 36 Abs. 2 S. 2 PolG NRW i.V.m. §§ 58 ff. FamFG zulässig (vgl. Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, 10. Aufl., § 10 Rz. 14). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten als Behörde folgt aus der Vorschrift des § 429 Abs. 1 FamFG, die als Teil der Vorschriften über das Freiheitsentziehungsverfahren in § 36 Abs. 2 S. 2 PolG ausdrücklich in Bezug genommen ist.
Soweit das AG einen Durchsuchungsbeschluss abgelehnt hat, folgt die Zulässigkeit der Beschwerde aus § 42 Abs. 1 S. 3 PolG NRW i.V.m. §§ 58 ff. FamFG. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten als Behörde ergibt sich auch insoweit aus § 429 Abs. 1 FamFG, der hier zumindest entsprechend anzuwenden ist. § 42 Abs. 1 S. 3 PolG NRW verweist zwar hinsichtlich des gerichtlichen Verfahrens nur allgemein auf die Vorschriften des FamFG, so dass nach § 59 Abs. 3 FamFG die Beschwerdeberechtigung einer Behörde im öffentlichen Interesse nur bejaht werden kann, wenn diese in einer gesetzlichen Sonderreglung begründet wird. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Landesgesetzgeber die Beschwerdebefugnis der Polizeibehörde im Verfahren auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung, insbesondere also im Fall der beantragten Ablehnung einer solchen Maßnahme, anders behandelt wissen wollte als in den in § 36 PolG NRW genannten Verfahren, in denen er durch Verweis auf § 429 Abs. 1 FamFG eine Beschwerdebefugnis der Behörde ausdrücklich eröffnet hat. Diese Lücke kann nach Auffassung des Senats durch eine entsprechende Anwendung des § 429 Abs. 1 FamFG geschlossen werden.
Die Beschwerde ist aber in der Sache unbegründet.
1) Zu Recht hat das AG eine Vorführungsanordnung abgelehnt, weil für den hierauf gerichteten Antrag des Beteiligten das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Wie das AG zutreffend dargelegt hat, bedarf es für die zwangsweise Vorführung des Beschuldigten im vorliegenden Fall keiner richterlichen Anordnung.
Der Beteiligte hat die in dem bestandskräftigen Bescheid vom 6.12.2011 enthaltene Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ausdrücklich auf § 81b Alt. 2 StPO gestützt. Diese Vorschrift ist auch einschlägig. Gegen den wegen verschiedenster Straftaten vorbestraften Beschuldigten ist ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das BtmG anhängig. Durch die erkennungsdienstliche Behandlung sollen rein vorbeugend Hilfsmittel für die Erforschung und Aufklärung zukünftiger Straftaten gewonnen werden. Für Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 StPO ist die Polizei originär zuständig (vgl. BVerwG NJW 2006, 1225 f.; OLG Naumburg NStZ-RR 2006, 179 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 81b, Rz. 13; Löwe-Rosenberg/Krause, StPO, 26. Aufl., § 81b, Rz. 23; Heidelberger Kommentar zur StPO/Lemke, 4. Aufl., § 81b, Rz. 14; Karlsruher Kommentar zur StPO/Senge, 6. Aufl., § 81b, R...