Leitsatz (amtlich)
Wird eine Schadensersatzklage aus einem Verkehrsunfall gegen zwei Beklagte (Fahrer/Halter und Haftpflichtversicherer) mit unterschiedlichen allgemeinen Gerichtsständen im allgemeinen Gerichtsstand eines der Beklagten erhoben, kann das angerufene Gericht die Klage nicht insgesamt weiterverweisen, um eine einheitliche Verhandlung und Entscheidung vor einem anderen Gericht, vor dem ein Gerichtsstand gegen beide Beklagten begründet wäre, zu gewährleisten. Dem steht die bereits vorgenommene, bindende Gerichtsstandswahl des Klägers in Bezug auf einen der Beklagten entgegen (§ 35 ZPO). Ein die getroffene Gerichtsstandswahl missachtender, beide Beklagten betreffender Verweisungsbeschluss kann grob rechtsfehlerhaft und nicht verbindlich sein.
Normenkette
ZPO §§ 12-13, 35, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281
Verfahrensgang
AG Lippstadt (Aktenzeichen 38 C 104/16) |
Tenor
Soweit sich die Klage gegen den Beklagten zu 1 richtet, wird das AG Lippstadt als zuständiges Gericht bestimmt. Auch im Übrigen wird der Rechtsstreit zur weiteren Veranlassung erneut dem AG Lippstadt vorgelegt.
Gründe
I. Der Kläger macht mit seiner beim AG Lippstadt eingereichten Klage unter 5.000 EUR liegende Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 20.07.2015 in T ereignet haben soll. Dabei nimmt er den im Bezirk des AG Lippstadt wohnhaften Beklagten zu 1 als Halter und Fahrer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs und die in L ansässige Beklagte zu 2 als dessen Haftpflichtversicherung in Anspruch.
In der Klageerwiderung haben die Beklagten gerügt, dass hinsichtlich der Beklagten zu 2 eine örtliche Zuständigkeit des AG Lippstadt nicht zu erkennen sei. Gemeinsamer Gerichtsstand der Beklagten sei Soest. Die Zuständigkeitsbedenken hat das AG Lippstadt in seiner Terminverfügung geteilt und angefragt, ob Verweisung an das AG Soest beantragt werde. Dies hat der Kläger getan. Mit Beschluss vom 15.11.2016 hat sich das AG Lippstadt für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Soest verwiesen. Zur Begründung hat es unter Benennung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Kammergerichts ausgeführt, dass der Kläger hinsichtlich des Beklagten zu 1 zwar verbindlich sein Wahlrecht ausgeübt habe, dass die Verweisung aber dennoch zulässig sei, wenn hierdurch erreicht werden solle, dass gegen mehrere Streitgenossen einheitlich in einem Prozess verhandelt werde.
Mit Verfügung vom 29.11.2016 hat das AG Soest um Überprüfung der Verweisung gebeten, da die Entscheidung des Kammergerichts einen anderen Fall betreffe. Daraufhin hat das AG Lippstadt die Parteien mit Verfügung vom 06.12.2016 zum weiteren Vorgehen angehört, insbesondere dazu, ob die Verfahren gegen die Beklagten getrennt werden sollen. Der Kläger hat daraufhin beantragt, die Sache dem Oberlandesgericht zur Bestimmung vorzulegen. Mit Beschluss vom 07.01.2017 hat das AG Soest die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und die Sache zurück an das AG Lippstadt verwiesen, da das AG Lippstadt hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 1 zuständig und der Kläger an diese Gerichtsstandswahl gebunden sei.
Mit Beschluss vom 13.01.2017 hat das AG Lippstadt die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Frage der Zuständigkeit vorgelegt, da das AG Soest die Übernahme des Rechtsstreits insgesamt abgelehnt habe. Das AG Lippstadt führt aus, die Bindungswirkung der Gerichtsstandswahl hinsichtlich des Beklagten zu 1 aufgrund eines Missverständnisses der Rechtsprechung des Kammergerichts und auch aufgrund prozessökonomischer Überlegungen versehentlich übersehen zu haben. Es selbst sehe sich aber wegen der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nicht in der Lage, diesen aufzuheben.
Im Verfahren vor dem Senat hat der Kläger mitgeteilt, er habe beim AG Lippstadt die Abtrennung des Rechtsstreits gegen die beklagte Versicherung beantragt. Die Beklagten haben daraufhin mitgeteilt, dass sie an der Zuständigkeitsrüge nicht länger festhielten, um Folgeprobleme aus der getrennten Verhandlung des Rechtsstreits zu vermeiden.
II. Die Entscheidung beruht auf § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.
1. Das AG Lippstadt hat die Sache dem Senat gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt. Die Voraussetzungen für eine solche Zuständigkeitsbestimmung liegen formal vor. Verschiedene ordentliche Gerichte, die AGe Soest und Lippstadt, haben sich jeweils für unzuständig erklärt. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufen, da es das im Verhältnis zu beiden Gerichten nächst höhere Gericht ist.
Im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist das AG Lippstadt als das zuständige Gericht zu bestimmen, soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1 richtet. Insoweit folgt seine Zuständigkeit bereits aus der bindenden Gerichtsstandswahl gem. § 35 ZPO durch die Einreichung der Klage beim gem. §§ 12,13 ZPO zuständigen Gericht.
Eine Zuständigkeit des AG Soest für die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage folgt auch nicht aus dem Verweisungsbeschluss des AG Lippstadt vom 15.11.2016. Dieser Verweisung...