Leitsatz (amtlich)
Klagt der Kläger gegen zwei Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall im allgemeinen Gerichtsstand eines Beklagten ein, kann der Rechtsstreit nicht insgesamt (für beide Beklagten) an das gem. § 32 ZPO zuständige Gericht verwiesen werden, weil das angerufene Gericht für die gegen einen Beklagten gerichtete Klage zuständig und die Gerichtsstandwahl des Klägers insoweit bindend ist. Ein dies missachtender Verweisungsbeschluss kann willkürlich sein. Das angerufene Gericht bleibt in diesem Fall für die Klage gegen den Beklagten mit dem beim dem Gericht begründeten Gerichtsstand zuständig und hat - ggfls. nach Trennung der Verfahren - über seine Zuständigkeit für die Klage gegen den anderen Beklagten neu zu entscheiden, wenn nicht die Parteien auch insoweit eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gem. § 39 ZPO begründen.
Normenkette
ZPO §§ 32, 35, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281
Tenor
Soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1 richtet, wird das LG E als zuständiges Gericht bestimmt. Auch im Übrigen wird der Rechtsstreit zur weiteren Veranlassung erneut dem LG E vorgelegt.
Gründe
I. Mit seiner beim AG H eingereichten Klage macht der Kläger Ansprüche von knapp 20.000 EUR aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 24.05.2015 auf der A 45 vor der Ausfahrt H ereignet haben soll. Die Beklagte zu 1 wohnt in E, die zu 2 beklagte Haftpflichtversicherung hat ihren Sitz in N. Noch vor Zustellung der Klage beantragte der Kläger die Verweisung "an das zuständige LG E". Nach Zustellung der Klageschrift hat sich das AG H mit Beschluss vom 11.07.2016 für sachlich unzuständig erklärt und die Sache an das LG E verwiesen. Zur Begründung hat es neben der Höhe des Streitwerts darauf abgestellt, dass das "aus dem Tenor ersichtliche LG" zuständig sei.
Das LG E hat darauf hingewiesen, dass für die Beklagte zu 2 ein Gerichtsstand in E nicht ersichtlich sei. Es bestehe ein gemeinsamer Gerichtsstand gem. § 32 ZPO bei dem LG L. Der Kläger hat mit Blick auf den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu 1 darauf hingewiesen, dass die Verweisung durch das AG H Bindungswirkung entfalte, und nur äußerst hilfsweise Verweisung beantragt.
Mit Beschluss vom 09.09.2016 hat sich das LG E "für örtlich unzuständig bezüglich des Beklagten zu 2)" erklärt und den Rechtsstreit ohne weitere sprachliche Einschränkung an das LG L verwiesen. Im Verweisungsbeschluss vertritt es die Auffassung, dass der Beschluss des AG H hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit keine Bindungswirkung entfalte. Im Nachgang hat das LG E die Akte zur weiteren Veranlassung an das LG L übersandt. Auf ein Schreiben des Berichterstatters des LG L, in dem dieser die Auffassung vertreten hat, die Verweisung sei nur insoweit erfolgt, als sich die Klage gegen die Beklagte zu 2 richte, hat das LG E mit Beschluss vom 16.12.2016 mitgeteilt, dass sich die Verweisung auf beide Beklagte beziehe, was sich bereits aus dem dortigen Hinweis vom 18.08.2016 ergebe.
Daraufhin hat sich das LG L mit Beschluss vom 30.12.2016 bezüglich des Beklagten zu 1 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG E verwiesen. Zur Begründung führt es aus, durch die Verweisung nur hinsichtlich der Beklagten zu 2 und nicht hinsichtlich der Beklagten zu 1 zuständig geworden zu sein.
Das LG E hat den Rechtsstreit dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Die Entscheidung beruht auf § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.
1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Verschiedene ordentliche Gerichte, die LGe E und L, haben sich unzuständig erklärt - das LG L zumindest, soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1 richtet. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung berufen, da das im Verhältnis zu diesen Gerichten nächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist und von den Gerichten, deren Zuständigkeit noch im Raum steht, das im hiesigen Bezirk befindliche LG E als erstes mit der Sache befasst war. Auf die Erstbefassung des im Bezirk des Oberlandesgerichts L befindlichen AG H stellt der Senat nicht ab, da sich nur die genannten LGe über die Zuständigkeit streiten und das AG angesichts des Streitgegenstands (Forderung von weit mehr als 5.000 EUR aus Verkehrsunfall) für die Entscheidung in der Sache nicht zuständig sein kann.
Im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist das LG E als das zuständige Gericht zu bestimmen, soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1 richtet. An der sachlichen Zuständigkeit des LG bestehen keine Zweifel. Das LG E ist insoweit gem. §§ 12, 13 ZPO auch örtlich zuständig. Nichts anderes ergibt sich aus dem Verweisungsbeschluss vom 09.09.2016. Dieser hat keinerlei Bindungswirkung im Sinne von § 281 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
Der Senat legt den Verweisungsbeschluss dahingehend aus, dass die Verweisung hinsichtlich beider Beklagter ausgesprochen wird und diese Gesamtverweisung auf die örtliche Unzuständigkeit ausschließlich hinsichtlich des Beklagten zu 2) gestützt werden soll. Zuzugeben ist, ...