Leitsatz (amtlich)

1) Durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen dem Vorerben und dem Nacherben kann ein zum Nachlass gehörendes Grundstück aus der Verfügungsbeschränkung der angeordneten Nacherbfolge entlassen werden.

2) Es bedarf dann nicht der Zustimmung von Ersatznacherben zur Löschung eines eingetragenen Nacherbenvermerks.

 

Normenkette

BGB § 2113; GBO § 51

 

Verfahrensgang

AG Gütersloh (Beschluss vom 07.12.2015; Aktenzeichen GT-6817-7)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, die in den vorgenannten Grundbüchern eingetragenen Nacherbenvermerke zu löschen.

 

Gründe

I.) Die Beteiligten zu 1) und 2) sind eingetragene Miteigentümerinnen der im Rubrum näher bezeichneten Grundstücke. In Abt. II der Grundbücher ist jeweils ein Nacherbenvermerk eingetragen, der wie folgt lautet:

"I., und J., sind Vorerben.

Die Nacherbfolge tritt bei Tod der Vorerben ein. Nacherben sind:

a) D.,

b) B,

Ersatznacherben sind deren Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, ersatzweise der überlebende Nacherbe."

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben mit den Nacherben, den Beteiligten zu 3) und 4), hinsichtlich des o.a. Grundbesitzes eine notariell beurkundete Vereinbarung geschlossen, die in den wesentlichen Passagen wie folgt lautet:

"Um den Vorerben eine uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit über den vorbezeichneten Grundbesitz einzuräumen, verzichten... -die Beteiligten zu 3) und 4)- auf ihr Nacherben und Ersatznacherbenrecht... bezüglich des vorbezeichneten in § 2 aufgeführten Grundbesitzes.

... - die Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 2) nehmen diesen Verzicht an. Die Grundstücke scheiden damit aus dem Nachlass aus und werden von der Nacherbeneinsetzung nicht erfasst.

...

Die Beteiligten zu 3) und 4) bewilligen und die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen die Löschung des Nacherbenvermerks in den Grundbüchern ..."

Eine Ausfertigung der Urkunde ist dem Grundbuchamt mit dem Antrag auf Löschung der Nacherbenvermerke vorgelegt worden. Das Grundbuchamt hat -nach vorherigem Hinweis auf die Notwendigkeit der Zustimmung der Ersatznacherben- den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2) mit der Beschwerde.

II.) Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Richtig ist allerdings zunächst der Ausgangspunkt des Grundbuchamtes, dass nämlich die Löschung des Nacherbenvermerks nur in Betracht kommt, wenn entweder die Löschungsbewilligung aller potentiell Betroffenen (§ 19 GBO) vorgelegt oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen wird (§ 22 GBO). Richtig ist weiter, dass zu den Betroffenen im Sinne des § 19 GBO auch die Ersatznacherben gehören (OLG Düsseldorf NJOZ 2014, 1735f; Bauer/v. Oefele/Schaub, GBO, 3. Aufl. § 51 Rdn. 116). Da von diesen hier keine Löschungsbewilligungen beigebracht worden sind, ist die Löschung des Nacherbenvermerks auf diesem Wege nicht möglich.

Hingegen ist nach Auffassung des Senats die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Hinblick auf den Nacherbenvermerk nachgewiesen. Der Senat teilt insoweit zwar die Auffassung, dass vorliegend keine Verfügung der Vorerbinnen über das Grundstück im Sinne des § 2113 BGB vorliegt, bei welcher nach allgemeiner Auffassung allein die Zustimmung des Nacherben, nicht hingegen zusätzlich auch die eines Ersatznacherben, erforderlich ist, um die Verfügungsbeschränkung durch die Nacherbfolge für das Grundstück aufzuheben (aus jüngerer Zeit vgl. OLG München ZEV 2012, 674; ZEV 2015, 347f). Nicht zu teilen vermag der Senat hingegen die Annahme des Grundbuchamtes, dass dies der einzige Weg ist, auf dem ein Nachlassgegenstand ohne Mitwirkung des/der Ersatznacherben durch ein Ausscheiden aus dem Nachlass von der Verfügungsbeschränkung der Nacherbfolge frei werden kann.

In der jüngeren Rechtsprechung und Literatur besteht weitgehende Einigkeit, dass dem Vor- und dem Nacherben hinsichtlich einzelner Nachlassgegenstände eine solche rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht (ohne Mitwirkung eines Ersatznacherben) einzuräumen ist (vgl. BGH NJW-RR 2001, 217f; BayObLG NJW-RR 2005, 956f; OLG Köln BeckRS 2011, 10906; Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2100 Rdn. 18; Burandt/Rojahn/Lang, ErbR, 2. Aufl., § 2102 BGB Rdn. 20; Hügel/Zeiser, GBO, 26. Ed., § 51 Rdn. 107f; sehr grundlegend Keim DNotZ 2003, 822, ff; Hartmann ZEV 2009, 107ff; Heskamp RNotZ 2014, 517ff). Dies entspricht auch der Auffassung des Senats.

§ 2113 BGB kann, wie bereits das Reichsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 08.11.1934 (RGZ 145, 316ff) ausgeführt hat, nur im Zusammenhang mit § 2120 BGB richtig eingeordnet werden. Das heißt aus Sicht des Senats, dass der Schutz des Nacherben uneingeschränkt seiner rechtsgeschäftlichen Disposition unterliegt. Denn die Regelung des § 2120 BGB begründet nicht erst eine (auf Verfügungen des Vorerben beschränkte) Rechtsmacht des Nacherben, sie setzt diese vielmehr voraus. Auch ein sachlicher Grund, diese Dispositionsbefugnis auf die Zustimmung zu Verfügungen des Vorerben zugunsten eines Dritten zu beschränken, ist nicht erkennbar.

Soweit...

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