Leitsatz (amtlich)

Ein Verurteilter, dem in einem Bewährungsbeschluss aufgegeben ist, jeden Wohnungswechsel anzuzeigen, hat er es selbst zu vertreten, wenn er sich in Anbetracht dieses Umstandes dennoch mit unbekanntem Aufenthalt ins Ausland begibt, ohne seinen Bewährungshelfer und/oder das Gericht über seinen Aufenthaltsort zu informieren, und deshalb eine Widerrufsentscheidung öffentlich zugestellt wird und er die Beschwerdefrist nicht wahren kann.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 31.08.2000)

 

Tenor

Der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 16. November 1990 wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Nach Teilverbüßung ist die verbliebene Reststrafe durch Beschluss des Landgerichts Bochum vom 25. Februar 1994 zur Bewährung ausgesetzt worden. Dem Verurteilten wurde ein Bewährungshelfer bestellt. Ihm ist zudem u.a. aufgegeben worden, "während der Bewährungszeit jeden Wohnsitzwechsel dem Gericht unverzüglich anzuzeigen". Schon bald nach seiner Entlassung begab sich der Verurteilte ins Ausland. Es ist nur bekannt, dass er sich vermutlich in Marokko aufhält, der genaue Aufenthaltsort war und ist unbekannt.

Mit dem angefochtenen Beschluss der Strafkammer ist die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wegen neuer Straftaten und, weil sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung seiner Bewährungshelfers entzogen hat, widerrufen worden. Mit Beschluss vom 31. August 200 hat die Strafkammer wegen des unbekannten Aufenthalts des Verurteilten die öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses angeordnet. Die öffentliche Zustellung ist vom 12. September bis zum 29. September 2000 durch Aushang an der Gerichtstafel erfolgt.

Inzwischen hat sich ein Verteidiger für den Verurteilten gemeldet. Dieser hat nach Akteneinsicht beantragt, dem Verurteilten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Landgerichts Bochum vom 31. August 2000 zu gewähren. Er hat zugleich sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

beide Anträge als unzulässig zurückzuweisen.

II.

Der Wiedereinsetzungsantrag des Verurteilten hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - noch zulässig, er ist jedoch unbegründet. Der Verurteilte hat nämlich durch sein Verhalten die eingetretene Fristversäumung selbst im Sinne des § 44 StPO verschuldet. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach den §§ 44, 45 StPO nicht vor.

Auf Grund des Bewährungsbeschlusses vom 25. Februar 1994 war der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Zudem hatte die Strafkammer ihm aufgegeben, dem Gericht jeden Wechsel seines - damals noch bekannten - Wohnsitzes - mitzuteilen. Er ist dann am 7. April 1994 durch die Strafkammer über die Strafaussetzung zur Bewährung und die Widerrufsmöglichkeiten belehrt worden. Wenn er sich in Anbetracht dieser Umstände anschließend dennoch mit unbekanntem Aufenthalt ins Ausland begibt, ohne seine Bewährungshelferin und/oder die Strafkammer über seinen Aufenthaltsort zu informieren, hat er es selbst zu vertreten, wenn die Widerrufsentscheidung öffentlich zugestellt wird und er die Beschwerdefrist nicht wahren kann (so auch BGH NStE § 44 StPO Nr. 21; OLG Hamm JMBl NW 1973, 260; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., 2003, § 44, Rn. 7 a). Ein nachvollziehbarer Grund, sich der Überwachung durch den Bewährungshelfer und das Gericht zu entziehen, ist nicht erkennbar. Auch wenn gegen den Verurteilten zu der Zeit, als er sich ins Ausland begeben hat, weitere Verfahren anhängig gewesen sind, rechtfertigt dies sein Verhalten nicht. Denn das würde sonst dazu führen, dass derjenige Beschuldigte, der sich diesen weiteren Verfahren stellt, schlechter gestellt wäre, als derjenige, der sich dem in ihn durch die Bewährungsentscheidung gesetzten Vertrauen entzieht (so OLG Hamm, a.a.O.). Auch der Umstand, dass der Verurteilte offenbar versucht, durch seinen Auslandsaufenthalt, die absolute Vollstreckungsverjährung zu erreichen, rechtfertigt nicht sein Verhalten.

III.

Die sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss war als unzulässig zu verwerfen. Die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde beträgt nach § 311 Abs. 1 StPO eine Woche. Diese ist, nachdem die öffentliche Zustellung des Beschlusses vom 12. September bis zum 29. September 2000 erfolgte, die sofortige Beschwerde aber erst am 29. Oktober 2003 beim Landgericht eingegangen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt worden ist, ersichtlich nicht gewahrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI25756...

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