Entscheidungsstichwort (Thema)

Besorgnis der Befangenheit eines Richters in einer Kindschaftssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nicht jeder Verfahrensfehler eines Richters rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit.

2. Etwas anderes kann bei erheblichen Verfahrensverstößen gelten, etwa wenn hiermit ein leichtfertiger Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen verbunden ist.

3. Eine zur Ablehnung eines Richters führende Besorgnis der Befangenheit in einer Kindschaftssache kann vorliegen, wenn er trotz ausdrücklicher vorheriger Weigerung eines sorgeberechtigten Elternteils per Beschluss eine Exploration des betroffenen Kindes durch den Sachverständigen anordnet, ohne hierfür Gründe mitzuteilen.

 

Normenkette

FamFG § 6 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Essen (Aktenzeichen 101 F 68/18)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Kindesmutter wird der am 05.10.2018 erlassene Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 19.10.2018 abgeändert.

Das Ablehnungsgesuch der Kindesmutter gegen den Richter am Amtsgericht X wird für begründet erklärt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3 000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die beteiligten Kindeseltern begehren wechselseitig das alleinige Sorgerecht für die Kinder M-Q G, geboren am ........2008, und B-N G, geboren am ........2010.

Mit Beschluss vom 12.04.2018 ordnete das Amtsgericht durch den zuständigen Richter am Amtsgericht X die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens an und beauftragte die Sachverständige Dipl.-Psych. S mit der Erstellung. Mit Schreiben vom 09.05.2018 reichte die Sachverständige ein an sie gerichtetes Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter vom 08.05.2018 bei Gericht ein, in dem mitgeteilt wurde, dass die Kindesmutter eine Exploration ihrerseits sowie der beiden Kinder durch die Sachverständige ausdrücklich ablehne. Daraufhin fragte der Amtsrichter beim Kindesvater bzw. dessen Verfahrensbevollmächtigter mit Verfügung vom 14.05.2018 an, ob der Kindesvater zu einer Exploration durch die Sachverständige bereit sei. Dem stimmte der Kindesvater mit Schriftsatz vom 24.05.2018 zu. Nachdem die Sachverständige mit weiterem Schreiben vom 26.07.2018 mitgeteilt hatte, dass ein Gespräch ihrerseits mit dem Kindesvater stattgefunden habe und eventuell die Einbeziehung der Kinder in die Begutachtung (z.B. Beobachtung der Vater-Kind-Interaktion) erforderlich sei, um die väterliche Erziehungsfähigkeit zu beurteilen, ordnete der Amtsrichter mit Beschluss vom 06.08.2018 an, dass die Kinder im Rahmen des Umgangs bei dem Kindesvater in die Begutachtung miteinbezogen werden sollten.

Daraufhin lehnte die Kindesmutter mit ihrem am 27.08.2018 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag den Richter am Amtsgericht X wegen Besorgnis der Befangenheit ab und bezog sich insoweit mit näheren Darlegungen auf die insoweit entgegen ihrem ausdrücklichen Willen durch den abgelehnten Richter angeordnete Einbeziehung der Kinder in die Begutachtung

Das Amtsgericht hat nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters, in der er sein Vorgehen mit näheren Darlegungen insbesondere auf seine Verpflichtung zur weitestmöglichen Sachaufklärung verteidigt hat, mit dem angefochtenen Beschluss den Ablehnungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Fehler- und Verfahrenskontrolle Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens und nicht des Ablehnungsverfahrens sei. Im Übrigen habe die Kindesmutter dem abgelehnten Richter vor Erhebung des Ablehnungsgesuches keine Möglichkeit gegeben, die von ihm - möglicherweise rechtsfehlerhaft getroffene - ergänzende Beweisanordnung zu überprüfen und so den Verfahrensfehler zu beseitigen. Dies sei der anwaltlich vertretenen Kindesmutter zuzumuten gewesen.

Hiergegen wendet sich die Kindesmutter mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens nach wie vor die Ablehnung des zuständigen Richters verfolgt und der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II. Die gemäß §§ 6 Abs. 2 FamFG, 567ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Kindesmutter hat auch in der Sache Erfolg.

Aufgrund des Beschlusses vom 06.08.2018, mit dem die Einbeziehung der Kinder in die Begutachtung trotz der entsprechenden ausdrücklichen Verweigerung der Kindesmutter angeordnet worden ist, liegt gemäß §§ 6 Abs. 1 FamFG, 42 Abs. 2 ZPO ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.

Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnen...

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