Entscheidungsstichwort (Thema)
Einziehung. durch die Tat erlangt. Vermögenswert. tatsächliche Verfügungsgewalt. mehrere Beteiligte
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vermögenswert ist im Rechtssinne durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann.
2. Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können.
3. Faktische Mitverfügungsgewalt kann –jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, Teile der Beute in Händen haltenden (Mit-)Täter – dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit „verfügt“ der Mittäter zu seinen oder deren anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet.
Normenkette
StGB § 73 Abs. 1, § 73c Abs. 1
Verfahrensgang
AG Paderborn (Entscheidung vom 31.08.2020) |
Tenor
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 31.08.2020 im Ausspruch über die Einziehung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Strafrichter tätige Abteilung des Amtsgerichts Paderborn zurückverwiesen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zum Rechtsmittel des Angeklagten Folgendes ausgeführt:
I.
Das Amtsgericht Paderborn hat den Angeklagten durch Urteil vom 31.08.2020 (Bl. 499-504a d.A.) wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und einen Geldbetrag in Höhe von 260.000,- EUR eingezogen.
Gegen diese in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündete (485-490 d.A.) und dem Verteidiger am 07.10.2020 zugestellte (Bl. 530 d.A.) Urteil hat der Angeklagte mit am 07.09.2020 bei dem Amtsgericht Paderborn eingegangenem Telefax-Schriftsatz seines Verteidigers vom 03.09.2020 (Bl. 497 d.A.) – auf die Einziehungsentscheidung beschränkte (Bl. 497 d.A.) – Revision eingelegt und diese mit am 26.10.2020 bei dem Amtsgericht Paderborn eingegangenem Telefax-Schriftsatz (Bl. 519-521 d.A.) vom selben Tag mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet.
II.
Die Revision ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Ihr ist auch in der Sache ein – zumindest vorläufiger – Erfolg nicht zu versagen.
Das infolge der wirksamen Beschränkung der Revision auf die zulässig erhobene Sachrüge hin nur noch im Hinblick auf die Einziehungsentscheidung zu überprüfende Urteil unterliegt insoweit der Aufhebung, da die Feststellungen die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 260.000,- EUR nicht tragen.
Die Urteilsfeststellungen sind im Hinblick auf die getroffene Einziehungsentscheidung lückenhaft. Ihnen ist nicht entnehmen, ob und was der Angeklagte durch die Diebstahlstaten vom 02.03.2015 und 08.12.2015-09.12.2015 im Sinne von §§ 73 Abs. 1, 73 c S. 1 StGB erlangt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Vermögenswert im Rechtssinne durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246; vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45f, und vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623/17 und 624/17 m.w.N.). Bei mehreren Beteiligten – wie vorliegend – genügt insofern, dass sie zumindest faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können. Faktische Mitverfügungsgewalt kann –jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, Teile der Beute in Händen haltenden (Mit-)Täter – dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit „verfügt“ der Mittäter zu seinen oder deren anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet (vgl. BGH, Urteil vom 07. Juni 2018 - 4 StR 63/18 mwN; BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 - 5 StR 645/17 -; BGH, Beschluss vom 11. Juni 2020 - 5 StR 154/20 -, juris).
Den Feststellungen des angefochtenen Urteils lässt sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte tatsächlich eigene (Mit)-Verfügungsgewalt sowohl über die Reifen als auch – insoweit unberücksichtigt bei der Einziehungsentscheidung – über den LKW (amtliches ...