Leitsatz (amtlich)

Zur Entziehung der elterlichen Sorge bei eingeschränkter Erziehungsfähigkeit der Eltern.

 

Verfahrensgang

AG Dülmen (Entscheidung vom 07.06.2010; Aktenzeichen 6 F 71/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin (Kindesmutter) wird der am 07. Juni 2010 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dülmen teilweise abgeändert.

Der Antrag des Jugendamts E2, der Antragsgegnerin die elterliche Sorge für das Kind M1 S, geb. am 25.12.1997, zu entziehen, wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Kindesmutter, geb. 17.06.1973 in N2, war seit dem 14.06.1995 in erster Ehe mit dem Kindesvater N S, geb. 09.07.1974, verheiratet. Diese Ehe wurde nach Trennung der Eheleute im Februar 1999 durch Urteil vom 18.01.2001 geschieden. Aus dieser Ehe sind die betroffenen Kinder Q, M und M1 sowie der schwerstbehinderte Zwillingsbruder von M, U, hervorgegangen. U lebt in einer Pflegefamilie, der auch das Sorgerecht für ihn zusteht. Der Kindesmutter war durch den Beschluss des AG Dülmen vom 10.01.2002 - 6 F 326/01 - das alleinige Sorgerecht für die betroffenen Kinder übertragen worden.

Die Kindesmutter ist seit dem 21.03.2003 in zweiter Ehe mit dem Vater ihrer weiteren Kinder I, F und O, L, geb. am 28.03.1973, verheiratet. Die betroffenen Kinder sowie I und F lebten zunächst im Haushalt der Kindesmutter und ihres Ehemannes in E. Am 19.06.2007 stellte der Kindesvater N S den Antrag, ihm das Sorgerecht für die Kinder Q, M und M1 zu übertragen (6 F 254/07 AG Dülmen). Zur Begründung führte er aus, die Kinder würden bei der Kindesmutter nicht ordnungsgemäß betreut und versorgt. Die Kindesmutter habe ein unangemessenes Erziehungsverhalten, sperre die Kinder ein und gebe ihnen nichts zu essen. Sie würden auch nicht pünktlich zur Schule geschickt. Das Jugendamt der Stadt E2 führte in einem Bericht vom 31.08.2007 aus, dass die Wohnung nur unzureichend eingerichtet und sehr beengt sei. Am 17.10.2007 wurde eine sozialpädagogische Familienhilfe installiert. Es kam allerdings zu Problemen mit der Familienhelferin, Frau F, die von "schlimmen Zuständen in der Familie" berichtete. Nach ihren Feststellungen würden die Kinder nicht zur Schule geschickt; es laufe den ganzen Tag der Fernseher und der Computer.

Da der Ehemann der Kindesmutter eine Arbeitsstelle als Elektroinstallateur in Dänemark erhalten hatte und sich deshalb nur noch an den Wochenenden in der Ehewohnung aufhielt, beabsichtigte die Familie, nach Dänemark umzuziehen. Nach Anhörung der Kinder am 30.01.2008 wurde in dem Verfahren 6 F 254/07 AG Dülmen die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens beschlossen. Am 01.02.2008 verzogen die Kindeseltern gleichwohl nach Dänemark. Dort wurde am 07.04.2008 das Kind O geboren.

Am 20.02.2008 beantragte das Jugendamt der Stadt E2, der Kindesmutter die elterliche Sorge für die betroffenen Kinder Q, M und M1 zu entziehen. Zugleich beantragte das Jugendamt in dem Verfahren 6 F 70/08 AG Dülmen, der Kindesmutter und deren Ehemann L auch die elterliche Sorge für die Kinder I und F L zu entziehen. Zur Begründung führte das Jugendamt aus, die Eltern der beiden Kinder hätten durch ihren Umzug nach Dänemark am 01.02.2008 die Zusammenarbeit mit der eingerichteten Familienhilfe abgebrochen. Zuvor sei es zu Auseinandersetzungen mit der Familienhelferin gekommen. Zu einer Zusammenarbeit mit einer am 31.01.2008 neu eingesetzten Helferin sei es aufgrund des Umzugs nicht mehr gekommen. Nach den Feststellungen der Familienhelferin seien die hygienischen Zustände in der kaum möblierten Wohnung, in der verschiedene Tiere gehalten würden, bedenklich. Bei den Kindern seien Entwicklungsdefizite festgestellt worden.

Durch die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 14.03.2008 und 17.03.2008 wurde im Wege der einstweiligen Anordnung das Recht der elterlichen Sorge für alle Kinder auf das Jugendamt als Vormund übertragen. Am 18.04.2008 erstattete das Jugendamt Strafanzeige gegen die Eheleute L. Anklage wegen Verletzung der Fürsorgepflicht und Kindesentziehung wurde am 17.11.2009 erhoben. Das Strafverfahren ist noch nicht beendet.

Die betroffenen Kinder Q, M, M1 sowie die Kinder I und F wurden am 29.06.2009 von der dänischen Justiz an das Jugendamt der Stadt E2 übergeben. In dem Sitzungsprotokoll des dänischen Vollstreckungsgerichts heißt es, dass die Wohnung der Kindeseltern in Dänemark unbeschreiblich schmutzig gewesen sei; die Kinder seien ungepflegt und gingen nur unregelmäßig in die Schule. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland wurden die betroffenen Kinder Q, M und M1 im Kinderheim St. N in N1 untergebracht. I und F leben seit ihrer Rückkehr in einer Bereitschaftspflegefamilie in E2. Im Oktober 2009 kehrten auch die Kindeseltern nach Deutschland zurück. Sie wohnen derzeit in C2. Nachdem M mehrfa...

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