Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch zwischen Tenor und Urteilsgründen. Vortäuschen einer Straftat. erforderliche Feststellungen. Ermittlungsmehraufwand
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Verurteilung wegen Vortäuschen einer Straftat nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB sind Feststellungen dazu zu treffen, dass die von dem unwahren Begebnis gegebene Darstellung geeignet ist, einen erheblichen Ermittlungs(mehr)aufwand zu veranlassen.
2. Ein unauflösbarer Widerspruch zwischen dem Schuldspruch des Urteilstenors und den Urteilsgründen ist auf die Sachrüge hin zu beachten.
Normenkette
StGB § 145 Abs. 1 Nr. 1, § 145d Abs. 1 Nr. 1, § 21
Verfahrensgang
AG Warendorf (Aktenzeichen 44 Ds 125/16) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Strafrichter - Warendorf zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Strafrichterin - Warendorf hat den Angeklagten wegen Missbrauchs von Notrufen in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt.
Das Amtsgericht hat in der Sache folgende Feststellungen getroffen:
"Am 20.02.2016 rief der Angeklagte gegen 13:23 Uhr den Notruf der Polizei an und erklärte, dass er aus einer Wohnung an der X- Straße Nr. ## in F-X2 heraus von mehreren südländischen Personen beleidigt und bedroht werde.
Nach etwa 1,5 Minuten wählte der Angeklagte erneut den Notruf und erklärte, dass aus der Wohnung heraus nunmehr eine Person eine Schusswaffe auf ihn richten würde.
Die von dem Angeklagten mitgeteilten Taten fanden tatsächlich nicht statt. Der Angeklagte machte wissentlich falsche Angaben.
Der Angeklagte war alkoholisiert. Ein Atemalkoholtest mit Dräger 6510 ergab einen Wert von 0,82 mg/l."
Weiter heißt es nachfolgend in den Urteilsgründen:
"Das Gericht geht daher davon aus, dass er daher den Tatbestand des Missbrauchs von Notrufen in zwei Fällen, davon in einem Mal in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat begangen hat, als er die Polizei anrief und einen Sachverhalt schilderte, der so nicht stimmte.
...
Im Rahmen der Strafzumessung ist zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er bei der Tat alkoholisiert war. Weiter spricht für ihn, dass es glücklicherweise nicht zu einem Polizeieinsatz mit aufwendigen Ermittlungen und größerem Personaleinsatz gekommen ist. Unter Berücksichtigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände erschien für die erste Tat eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen und für die zweite eine solche von 40 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen. Wiederum unter Berücksichtigung aller Umstände wurde aus diesen beiden Einzelstrafen eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen gebildet. ..."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten (Sprung-)Revision, die er mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.
Das Urteil des Amtsgerichts hält der auf die materielle Rüge hin erfolgten Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht Stand.
1.
Bereits der Schuldspruch kann keinen Bestand haben.
a)
Soweit das Amtsgericht den Angeklagten wegen Missbrauchs von Notrufen gemäß § 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB in zwei Fällen für schuldig befunden hat, begegnet die Verurteilung allerdings keinen Bedenken.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der Tatbestand des § 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nur überflüssige Einsätze von Helfern verhindern soll, die während dieser Zeit für tatsächlich notwendige Hilfsdienste nicht zur Verfügung stehen, sondern auch bezweckt, dass die Funktionsfähigkeit der Notrufzentrale gesichert bleibt und nicht durch missbräuchliche Inanspruchnahme beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.1986, 3 StR 164/85 - [...]).
So liegt der Fall hier. Durch die Anrufe des Angeklagten bei der zuständigen Polizeidienststelle war jeweils eine Leitung zumindest kurzzeitig blockiert.
b)
Die bislang getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen indes keine Verurteilung wegen Vortäuschens einer Straftat gem. § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB. Den amtsgerichtlichen Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob der Angeklagte durch seine Anrufe bei der Polizeinotrufzentrale bereits die Begehung einer rechtswidrigen Tat vorgetäuscht und dadurch in den Schutzbereich des § 145d StGB eingegriffen hat.
Geschütztes Rechtsgut des § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die Strafrechtspflege, die vor unnützer Inanspruchnahme ihres Apparats und der damit verbundenen Schwächung der Verfolgungsintensität geschützt werden soll (vgl. BGH, NStZ 2015, 514; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 145d Rn. 2; Ruß, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 145d Rn. 1). Für die Tatbestandsverwirklichung ist zwar bedeutungslos, ob die Vortäuschung einen ...