Leitsatz (amtlich)
1. Zustellungen sind an den für den Rechtszug bestellten Bevollmächtigten vorzunehmen.
2. Hat dieser den Beteiligten bereits im Verfahenskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten, gilt dies auch für ein Überprüfungsverfahren.
3. Bei einem erfolgten Wechsel der Person des Bevollmächtigten ist im Überprüfungsverfahren nicht mehr an den beigeordneten Rechtsanwalt zuzustellen, selbst wenn der neue Bevollmächtigte nicht beigeordnet worden ist. Hat der neue Bevollmächtigte seine Bevollmächtigung angezeigt, ist nunmehr an diesen zuzustellen.
Normenkette
FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 172 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Siegen (Aktenzeichen 15 F 956/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegen vom 09.11.2022 aufgehoben.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 31.08.2020 wurde der Antragstellerin in dem Familienstreitverfahren 15 F 956/20 Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. in A. bewilligt und die Zahlung von monatlichen Raten in Höhe von 77,00 EUR angeordnet. Mit Schriftsatz vom 10.05.2021 teilte Rechtsanwalt H. unter Verweis auf ein Schreiben der Rechtsanwälte G. gegenüber dem Familiengericht die Kündigung des Mandatsverhältnisses mit und bat darum, ihn von der "bewilligten Verfahrenskostenhilfe zu entbinden". Mit Schriftsatz vom 18.05.2021 zeigte Rechtsanwältin Q. gegenüber dem Amtsgericht unter Beifügung einer Vollmacht die Vertretung der Antragstellerin an. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist bislang nicht ergangen. In der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2022 wurden keine Anträge gestellt und die Beteiligten erklärten, dass nochmals ein Versuch einer Gesamtlösung gestartet werden solle. Mit Schreiben vom 12.10.2022 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aufzuheben, da sie sich trotz Zahlungserinnerung mit einem Betrag von insgesamt 1.925,00 EUR in Rückstand befinde. Sie sollte daher - so die Ausführungen im Schreiben - in ihrem eigenen Interesse den ausstehenden Betrag unverzüglich - spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen - zahlen. Das Schreiben vom 12.10.2022 wurde der Antragstellerin zugestellt und dem vormaligen Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt H. formlos übersandt. Mit Beschluss vom 09.11.2022 hat das Familiengericht die durch Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 31.08.2020 bewilligte Verfahrenskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin sei trotz Zahlungserinnerung mit der Zahlung eines Betrages von insgesamt 385,00 EUR länger als drei Monate in Rückstand. Da sie trotz entsprechender Mahnungen und des Erinnerungsschreibens vom 12.10.2022 die Ratenzahlungen nicht aufgenommen habe, sei die Bewilligung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zu widerrufen. Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 11.11.2022 zugestellt und formlos an den vormaligen Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt H. übersandt.
Die Antragstellerin hat mit am 15.12.2022 eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin Q. sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.11.2022 eingelegt. Die Antragstellerin habe, so die Beschwerdebegründung, die ausstehenden Ratenzahlungen zwischenzeitlich beglichen. Das Aussetzen der Ratenzahlung sei aufgrund eines Missverständnisses erfolgt, da in anderer Angelegenheit - nach Erinnerung der Antragstellerin - die Ratenzahlung aufgehoben worden sei.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit am 20.12.2022 erlassenem Beschluss nicht abgeholfen. Die sofortige Beschwerde sei bereits unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist eingegangen sei. Ihr habe aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen werden können.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere ist sie nicht verfristet.
Die an die Antragstellerin erfolgte persönliche Zustellung am 11.11.2022 hat die Monatsfrist des § 127 Abs. 2 ZPO nicht in Gang gesetzt. Gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 172 Abs. 1 ZPO sind Zustellungen an den für den Rechtszug bestellten Bevollmächtigten vorzunehmen. Hat der Bevollmächtigte den Beteiligten bereits im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten, gilt dies auch für ein Überprüfungsverfahren, welches seinerseits zum Rechtszug gehört. Denn durch § 172 Abs. 1 ZPO soll im Interesse der Verfahrensökonomie und Privatautonomie sichergestellt werden, dass der für die Verfahrensführung verantwortliche Bevollmächtigte über den gesamten Verfahrensstoff informiert wird und sich alle Fäden in seiner Hand vereinigen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2016 - XII ZB 582/15 - FamRZ 2016, 1259 Rn. 6; Beschluss vom 08.12.2010 - XII ZB 38/09 - FamRZ 2011, 463 Rn. 18 ff.). Bei einem - wie hier - erfolgten Wechsel der Person des Bevollmächtigten ist im Überprüfungsverfahren nicht meh...