Entscheidungsstichwort (Thema)
Bagatelldelikt. Diebstahl geringwertiger Sachen. Übermaßverbot. Schuldangemessene Strafe
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen ist auch im Bereich der Bagatellkriminalität nicht ausgeschlossen.
2. Die Festsetzung einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten für den Diebstahl eines an den Eigentümer zurückgelangten Schokoladenriegels im Wert von 0,95 € bei gleichzeitigem Vorliegen einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit sowie eines umfassenden Geständnisses kann auch bei mehrfachen - einschlägigen - Vorstrafen und Haftverbüßungen nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden und verstößt daher gegen das Übermaßverbot.
Normenkette
StGB §§ 46, 248a, 242
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 38 Ns 80/15) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der für den am 09.04.2015 begangenen Diebstahl verhängten Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 26.06.2015 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (10,6 g Amphetamin; Tatzeit 03.04.2015) und wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Die gegen dieses Urteil durch den Angeklagten eingelegte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung hatte das Landgericht Dortmund mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet verworfen.
Das Landgericht ist aufgrund der als wirksam erachteten Rechtsmittelbeschränkung von den durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Sache ausgegangen.
Hinsichtlich der Diebstahlstat hatte das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte am 09.04.2015 aus den Auslagen der Firma C auf dem L in E einen Riegel Schokolade im Wert von 0,95 € entwendet hat, indem er diesen unbezahlt einsteckte.
Nach den eigenen Feststellungen der Berufungskammer ist der Angeklagte seit Jahren drogenabhängig. Er konsumierte zunächst Haschisch und Ecstasy, später auch Heroin, das er zunächst geraucht und später injiziert hat. Außerdem hat er Alkohol und diverse, nicht medizinisch indizierte Tabletten im Übermaß zu sich genommen. Von vier begonnenen Therapien hat er nur eine bis zum vorgesehenen Ende durchgestanden. Danach lebte er etwa 18 Monate lang drogenfrei, bevor er erneut rückfällig wurde.
Nach den weiteren Feststellungen der Strafkammer ist der Angeklagte erheblich und vielfältig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Während des Zeitraumes von 1995 bis zum 23.05.2015 (vorletzte vorangegangene Verurteilung) wurde der Angeklagte u.a. im Jahr 1996 wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, im Jahr 2003 wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sowie außerdem - zum Teil gleichzeitig wegen weiterer Straftaten - neun Mal wegen Diebstahls, davon zweimal wegen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie einmal wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit Diebstahl mit Waffen, sowie acht Mal wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, vier Mal zu Geldstrafen und den übrigen vorgenannten Fällen bis auf einen Fall, der zu der Verhängung eines Jugendarrestes führte, zu Freiheitsstrafen verurteilt, wobei der überwiegende Teil der den vorgenannten Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten auf die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten zurückzuführen war. Der Angeklagte hat bereits wiederholt Strafhaft verbüßt. Ihm mehrfach gewährte Strafaussetzungen zur Bewährung hat er bis auf zwei Ausnahmen, die Verurteilungen aus den Jahren 2000 und 2003 betrafen, nicht erfolgreich durchgestanden.
Zuletzt wurde der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln am 08.05.2015 durch das Amtsgericht Lünen zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt. Wie die Strafkammer in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat, standen die Akten dieses Verfahrens in dem Berufungsverfahren nicht zur Verfügung, so dass eine Gesamtstrafenbildung mit den im vorliegenden Verfahren verhängten Einzelfreiheitsstrafen nicht erfolgen konnte.
Die Strafkammer hat sowohl für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln am 03.04.2015 als auch für den Diebstahl des Schokoladenriegels jeweils eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten verhängt. Dabei ist die Strafkammer bei der Strafzumessung hinsichtlich beider Straftaten davon ausgegangen, dass eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB wegen seiner langjährigen Drogenkarriere nicht ausgeschlossen werden könne und hat insofern zu Gunsten des Angeklagten jeweils den sich nach...