Leitsatz (amtlich)
Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes kann es geboten sein, vom Grundsatz, dass die Verweisung von einem funktionell unzuständigen Berufungsgericht an das zuständige Berufungsgericht grundsätzlich nicht möglich ist, Ausnahmen zuzulassen. In der Berufungsinstanz kann einem entsprechend § 281 ZPO erlassenen Verweisungsbeschluss Bindungswirkung zukommen, wenn das verweisende Gericht - ohne willkürlich zu handeln - die Ausnahmevoraussetzungen einer Verweisung angenommen hat. Hat das AG in Verkennung der durch eine Zuständigkeitskonzentration begründeten ausschließlichen Zuständigkeit eine Urheberrechtsstreitsache entschieden, kann das im Berufungsverfahren angerufene, allgemein zuständige LG den Berufungsrechtsstreit bindend an das für Berufungen in Urheberrechtsstreitigkeiten ausschließlich zuständige LG verwiesen haben, ohne zuvor - inzidenter - die Zulässigkeit der eingelegten Berufung zu bejahen. Es ist nicht Sinn des Gerichtsstandbestimmungsverfahrens, über die Zulässigkeit einer Berufung als Voraussetzung für die Möglichkeit einer Verweisung zu entscheiden.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; UrhG §§ 104-105; DeUrhMRZusVO NW § 1
Verfahrensgang
Tenor
Zuständig ist das LG X.
Gründe
I. Das LG X und das LG B streiten über die Zuständigkeit eines Rechtsstreits in der Berufungsinstanz.
Der Kläger, der als Rechtsanwalt tätig war, hat die Beklagten vor dem AG N auf Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung, nämlich unberechtigter Nutzung eines von ihm erstellten Klauselwerks "Allgemeine Geschäftsbedingungen", in Höhe von insgesamt 5.358,10 EUR Anspruch genommen.
Das AG N hat sich aufgrund der rügelosen Einlassung der Beklagten als zuständig angesehen, auch wenn der Streitwert die Zuständigkeitsgrenze des § 23 Nr. 1 GVG von 5.000 EUR übersteige und für den Urheberrechtsstreit grundsätzlich nach § 105 UrhG i.V.m. § 2 der Verordnung über die Zusammenfassung von Designstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberrechtsstreitsachen sowie Streitigkeiten nach dem Olympiamarkenschutzgesetz (DeUrhMRZusVO NRW) das AG X zuständig sei. Es hat die Beklagten in der Hauptsache aus § 97 Abs. 2 UrhG zum Schadensersatz verurteilt.
Die Beklagten haben gegen das am 10.09.2014 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 10.10.2014 vor dem LG B Berufung eingelegt.
Das LG B hat mit Schreiben vom 10.03.2015 darauf hingewiesen, dass für das Berufungsverfahren gem. § 105 UrhG i.V.m. § 1 DeUrhMRZusVO NRW das LG X ausschließlich zuständig sei. Mit Schriftsatz vom 12.03.2015 hat der Kläger die Zuständigkeit des LG B gerügt. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 24.03.2015 beantragt, den Rechtsstreit an das LG X zu verweisen.
Auf den Verweisungsantrag der Beklagten hat das LG B sich durch Beschluss vom 25.03.2015 für funktionell unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG X verwiesen. Das LG X hat die Übernahme des Rechtsstreits durch Beschluss vom 26.05.2015 abgelehnt, da der Verweisungsbeschluss des LG B unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt und daher nicht bindend sei. Die Prüfung der Zuständigkeit sei dem Berufungsgericht gem. § 513 ZPO versagt. Eine auf § 281 ZPO gestützte Verweisung durch das Berufungsgericht sei - von nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen - nicht möglich.
Das LG B hat den Rechtsstreit gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht Hamm zur Bestimmung des Gerichts vorgelegt, das für die Berufung der Beklagten vom 10.10.2014 zuständig ist.
II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht der LGe B und X, die sich für unzuständig erklärt haben, zu der Bestimmung des Gerichtsstands berufen.
2. Rechtskräftige Unzuständigkeitserklärungen im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen in dem Verweisungsbeschluss des LG B und in dem die Übernahme des Verfahrens ablehnenden Beschluss des LG X, der den Parteien bekannt gemacht worden ist, vor.
3. Das LG X ist das für die Entscheidung über die Berufung grundsätzlich zuständige Berufungsgericht.
Gem. §§ 104, 105 UrhG in Verbindung mit § 1 der Verordnung über die Zusammenfassung von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberstreitsachen sowie Streitigkeiten nach dem Olympiamarkenschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30.8.2011 (DeUrhMRZusVO) sind dem LG X Urheberrechtsstreitsachen für die LGbezirke B, X, Dortmund, Essen, Hagen und Siegen zugewiesen, für die das LG in erster Instanz oder in der Berufungsinstanz zuständig ist.
a) Es handelt sich um eine Urheberrechtsstreitsache. Dazu gehören gem. § 104 S. 1 UrhG alle zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten, durch die ein Anspruch aus einem der im Urhebergesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (vgl. auch Kefferpütz in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage 2014, Rn. 1 m.w.N.). Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz hat seine Grundlage in einer behaupteten Urheberrechtsverletzung der Beklagten.
b) Es handelt sich auch um eine Urheberrechtsstreitsache au...