Leitsatz (amtlich)
1. Der Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes, welches noch bei einem Elternteil wohnt, bestimmt sich nach der Höhe der anrechenbaren Einkünfte beider Eltern und zwar unabhängig von deren jeweiliger Leistungsfähigkeit.
2. Die Heranziehung des Kindergeldes zur Deckung des Unterhaltsbedarfs bis zur Höhe des Existenzminimums gem. § 1612b Abs. 5 BGB gilt auch für volljährige Kinder.
Normenkette
BGB § 1612b Abs. 5
Verfahrensgang
AG Essen (Aktenzeichen 104 F 360/01) |
Tenor
Der Klägerin wird auch insoweit Rechtsanwalt … zu den Bedingungen des angefochtenen Beschlusses beigeordnet. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Klage hat in Höhe der tenorierten Beträge hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach den beiderseitigen Einkommen der Kindeseltern bemisst sich der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin nach der 6. Stufe der Düsseldorfer Tabelle, so dass sich im Jahr 2001 ein Bedarf i.H.v. 819 DM monatlich ergibt. Da die Kindesmutter unter Berücksichtigung ihrer weiteren Unterhaltsverpflichtungen bei einem Einkommen i.H.v. 1.698,60 DM nicht leistungsfähig ist, hat der Antragsgegner den gesamten Unterhaltsbedarf für die Antragstellerin aufzubringen. Insgesamt darf die dadurch eintretende Belastung des Antragsgegners jedoch nicht höher sein, als wenn er Unterhalt allein nach seinem Einkommen aufzubringen hätte. Nach seinem Einkommen hätte der Antragsgegner lediglich Unterhalt der 2. Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle i.H.v. 649 DM zu zahlen, so dass der Bedarf der Klägerin auf diesen Betrag begrenzt ist. Hiervon ist das Kindergeld in Abzug zu bringen, jedoch, wie die Antragstellerin zu Recht rügt, nur zur Hälfte und nicht in Höhe des vollen Betrages. Denn wenn beide Eltern Beiträge zum Lebensbedarf des Kindes erbringen, ist das Kindergeld gemäß § 1612b Abs. 1 BGB jeweils zur Hälfte anzurechnen. Dies ist hier der Fall. Der Bedarf des Kindes orientiert sich trotz der mangelnden Leistungsfähigkeit der Kindesmutter hier an dem Gesamteinkommen beider Elternteile. Denn die mangelnde Leistungsfähigkeit der Kindesmutter resultiert allein aus der Trennung der Kindeseltern und berührt nicht den Kindesbedarf, so wie er sich bei Fortdauer der Familiengemeinschaft dargestellt hätte. Der Bedarf beläuft sich daher grundsätzlich auf 819 DM, so dass es durch den Ausfall der Kindesmutter infolge mangelnder Leistungsfähigkeit zu einer Unterdeckung des Bedarfs dadurch kommt, dass allein der Kläger einen dementsprechend niedrigeren Bedarf aufzubringen hat, Diese Bedarfslücke wird jedoch durch die Kindesmutter dadurch gedeckt, dass sie der Antragstellerin Naturalunterhalt in Form der Gewährung von Wohnung, Heizung, Lebensmitteln etc. zur Verfügung stellt. Da sie dem volljährigen Kind ggü. grundsätzlich nicht mehr zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet ist, könnte sie hierfür Wohn- bzw. Kostgeld verlangen. Mithin deckt sie durch die freiwillig erbrachten Leistungen einen Teil des Kindesbedarfs, was eine hälftige Anrechnung des Kindergeldes zu ihren Gunsten rechtfertigt.
Gleichwohl kommt es auch hier nicht zum Abzug des hälftigen Kindergeldes, weil weiterhin § 1612b Abs. 5 BGB zu berücksichtigen ist. Zwar ist streitig, ob diese Vorschrift für volljährige Kinder Anwendung findet. Zweifel daran werden aus der Verwendung des Wortes „Regelbetrag nach der Regelbetragsverordnung” hergeleitet, da diese nur auf minderjährige Kinder anwendbar ist (OLG Celle, Beschl. v. 13.9.2001 – 2 WF 136/01; Palandt/Diederichsen, 61. Aufl., § 1612b BGB Rz. 12; Scholz, FamRZ 2001, 1048; Vossenkämper, FamRZ 2000, 1547 [1551]; Miesen, FF 2000, 249 Fn. 4). Damit wird der gesetzlichen Formulierung eine Bedeutung beigemessen, die ihr nicht zukommt. Der im Rahmen des Kindesunterhaltsgesetzes (KindUG) zum 1.7.1998 eingeführte Begriff des Regelbetrages hat lediglich die Funktion einer Bezugsgröße für die Dynamisierung des Unterhalts und nicht mehr wie die bis dahin geltenden Regelunterhaltsbeträge nach der Regelunterhaltsverordnung als Mindestbedarfsbeträge für minderjährige Kinder. Selbstverständlich kann eine solche Bezugsgröße auch zur Bedarfsbestimmung außerhalb des Minderjährigenunterhalts herangezogen werden, wie dies mit den Bedarfsbeträgen der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle für volljährige Kinder, die noch im Haushalt eines Elternteils leben, geschehen ist. Soweit der Gesetzgeber bei Einführung des § 1612b Abs. 5 BGB (ebenfalls durch das KindUG) auf den Regelbetrag im Zusammenhang mit der Anrechnung des Kindergeldes im Mangelfall Bezug genommen hat, ging es ihm ersichtlich um eine abstrakte, d.h. unabhängig von der konkreten Höhe der im zweijährigen Rhythmus anzupassenden Regelbeträge Bezugsgröße, um eine Grenze zu bestimmen, bis zu der das dem Unterhaltspflichtigen zustehende Kindergeld zur Bedarfsdeckung einzusetzen ist. Der Gesetzeswortlaut enthält keinerlei Hinweis darauf, ...