Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung der Verteidigung. Einsicht in Bedienungsanleitung eines Radargeräts
Leitsatz (amtlich)
Zu den Zulassungsgründen der Versagung rechtlichen Gehörs und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Falle einer von der Verteidigung gerügten unzureichend gewährten Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes.
Normenkette
OWiG §§ 79-80; StPO § 338 Abs. 1 Nr. 8
Verfahrensgang
AG Hamm (Aktenzeichen 14 OWi 159/12) |
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil die das Amtsgericht die Möglichkeit auf Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung durch die Verteidigung auf 4-5 Stunden begrenzt habe, was eine angemessene Verteidigung verhindert habe. Auch sei die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - wegen der Gefahr von Nachahmungseffekten bei Anträgen auf Einsicht in die Bedienungsanleitung - zuzulassen. Zur Begründung des Rechtsbeschwerdeantrages wird - neben der Sachrüge - eine Verfahrensrüge der Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG erhoben. Dazu wird ausgeführt, dass die Verteidigerin mit Telefax vom 19.03.2012 die Übersendung der Bedienungsanleitung zur Einsichtnahme beantragt habe. Mit Schreiben vom 17.04.2012 habe der Richter mitgeteilt, dass die Bedienungsanleitung jederzeit im Gericht, auch am Terminstag vor der Terminsstunde eingesehen werden könne. Das Schreiben sei am 19.04.2012 bei der Verteidigerin eingegangen. Der Termin habe am 20.04.2012 um 12 Uhr stattgefunden. Er sei für die Verteidigerin von einem Unterbevollmächtigten wahrgenommen worden. Dieser habe um 11.25 Uhr Einsicht in die mehr 100 Seiten umfassende Bedienungsanleitung erhalten. Der Unterbevollmächtigte habe im Termin eine Unterbrechung und Neuterminierung beantragt. Gleichwohl habe der Richter zunächst den Messbeamten als Zeugen vernommen. Danach habe er beschlossen, die Verhandlung zu unterbrechen und um 15.50 Uhr fortzusetzen. Der Unterbevollmächtigte erhielt die Bedienungsanleitung zur Mitnahme in seine Kanzlei. Um 15.50 Uhr sei die Verhandlung fortgesetzt worden, ein Aussetzungs- und Verlegungsantrag sei abschlägig beschieden worden. In der kurzen Zeit der Einsichtnahme sei das Studium der Bedienungsanleitung und Erarbeitung eines Verteidigungskonzepts nicht möglich gewesen, wodurch das rechtliche Gehör verletzt worden sei. Mangels Kenntnis von der Bedienungsanleitung habe die Verteidigung Angaben des Messbeamten zur Messung nicht auf deren Ordnungsgemäßheit überprüfen können.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war zu verwerfen, da es nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, 4 Satz 3 OWiG).
1.
Es ist - anders als der Betroffene meint - nicht geboten, das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist mit einer Verfahrensrüge geltend zu machen. Ist die Verfahrensrüge nicht in der nach § 344 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG gebotenen Weise erhoben, ist der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs kommt nicht in Betracht, um nur die Nachprüfung des Urteils unter diesem Gesichtspunkt zuermöglichen. Vielmehr ist bereits im Zulassungsverfahren zu prüfen, ob das rechtliche Gehör verletztist(BVerfG NJW 1992, 2811). Hierzu Muss das Rechtsbeschwerdegericht schon im Zulassungsverfahren die erforderlichen Feststellungen treffen. Das bedeutet, dass der Betroffene mit seiner Rüge substantiiert darlegen muss, was er im Falle seiner Anhörung geltend gemacht hätte (vgl. u.a. OLG Hamm NStZ-RR 1999, 23). Denn nur dann ist das Rechtsbeschwerdegericht in der Lage zu prüfen, ob die angefochtene gerichtliche Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruht und dem Betroffenen tatsächlich rechtliches Gehör verwehrt worden ist. Dies ist hier nicht geschehen. Auch wenn der Verteidigung der Zeitraum der durch das Amtsgericht gewährten Akteneinsicht für einen Erkenntnisgewinn zu gering gewesen sein sollte, so hätte sie sich zur Begründung der Rechtsbeschwerde erneut um Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung bemühen können und aufgrund der so gewonnenen Erkenntnisse konkret darlegen müssen, was sie beim Amtsgericht vorgetragen hätte, wenn dort e...