Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrlässiger Vollrausch. objektive Bedingung der Strafbarkeit. erforderliche Feststellungen zur Rauschtat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die im Rauschzustand begangene Tat ist bei § 323 a StGB eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, auf die sich Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Angeklagten nicht beziehen muss.

2. Für eine Verurteilung nach § 323 a StGB ist es erforderlich, alle objektiven und subjektiven Merkmale der Rauschtat festzustellen, wobei nur die Schuldunfähigkeit außer Betracht bleibt.

 

Verfahrensgang

AG Dortmund (Aktenzeichen 730 Cs 158/13)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen [mit Ausnahme derer zum objektiven Tatbestand des § 323a StGB] aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Angeklagten wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von 12 Monaten verhängt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Angeklagte am Abend des 27.01.2013 bis 19.30 Uhr etwa eine 2/3-Flasche Wodka (0,7l) getrunken und sodann eine Schlaftablette mit dem Wirkstoff Zoplicon sowie zwei Tabletten eines Antidepressivums mit dem Wirkstoff Citalopram eingenommen. Gegen 22:06 Uhr befuhr er sodann in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand eine öffentliche Straße in Dortmund und verursachte einen Unfall. Bei der um 23:32 Uhr entnommenen Blutprobe wurde ein BAK-Wert (zum Entnahmezeitpunkt) von 1,53 Promille festgestellt.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er einen Freispruch anstrebt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und erhebt Verfahrensrügen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückzuverweisen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge hin in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1.

Das Urteil weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

a) Die Feststellungen belegen zwar hinreichend das Vorliegen des objektiven und subjektiven Tatbestands des § 323a StGB. Der Angeklagte hat sich schon durch die Einnahme von knapp einem halben Liter Wodka in vergleichsweise kurzer Zeit am Abend des Tattages bis 19.30 Uhr in einen Rauschzustand versetzt. Ein Rausch liegt vor, wenn der Zustand des Täters nach seinem ganzen Erscheinungsbild als durch den Genuss von Rauschmitteln hervorgerufen anzusehen ist. Dabei muss der Alkohol oder das Rauschmittel nicht die einzige Ursache für diesen Zustand sein, sondern es können auch andere Ursachen mitwirken (BGHSt 26, 363, 364). Ein solcher Zustand war bei dem Angeklagten bei der Fahrt mit dem PKW gegeben. Zeugen haben ihn als "deutlich alkoholisiert" beschrieben. Seine Sprache sei verwaschen und lallend gewesen. Ob dieser Zustand allein auf den genossenen Alkohol oder auch auf die eingenommenen Medikamente zurückzuführen ist, ist unerheblich. Dass das Amtsgericht lediglich einen fahrlässigen Vollrausch angenommen hat, obwohl ein Vorsatz bzgl. des objektiven Tatbestandsmerkmals der Herbeiführung eines Rauschzustandes (nur hierauf kommt es insoweit an) bei Konsumierung von rund 0,5l Wodka in so kurzer Zeit nahe liegt, beschwert den Angeklagten nicht. Nicht zur Erfüllung des Tatbestands des § 323a StGB erforderlich ist es - anders als die Revision meint - dass der Angeklagte im Hinblick auf die Rauschtat vorsätzlich oder fahrlässig handelte. In der älteren obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde dies zwar vereinzelt vertreten (vgl. z. B. BGH NJW 1957, 996). Schon damals wurde aber ausgeführt, dass jedenfalls Fahrlässigkeit bzgl. der Rauschtat i.d.R. vorliegen wird und keiner besonderen Urteilsfeststellungen bedürfe (BGH a.a.O.). In der neueren Rechtsprechung wird hingegen Vorsatz oder Fahrlässigkeit bzgl. der Rauschtat für die Erfüllung des Tatbestands des § 323a StGB - da es sich bei der Rauschtat lediglich um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit handelt - zutreffenderweise nicht mehr verlangt (BGHSt 16, 124; OLG Hamm, Beschl. v. 30.09.2010 - III- 3 RVs 46/10 m.w.N.). Es kommt also nicht darauf an, dass der Angeklagte sich nach dem Alkoholgenuss zu Bett begeben hat und insoweit in gewisser Weise zunächst Vorkehrungen getroffen hat, um keine Straftaten im Rauschzustand zu begehen (ebenso: OLG Celle NJW 1969, 1588, 1589; a.A. Sternberg-Lieben/Hecker in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 323a Rdn. 10).

b) Allerdings belegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht vollständig die Tatbestandsmerkmale der Rauschtat. Als solche kommt hier ein Delikt nach § 316 StGB (so offenbar - nach der Liste der an...

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