Leitsatz (amtlich)

Wird das Ruhen der elterlichen Sorge des Kindesvaters, der "untergetaucht" sein soll, beantragt, ist der Kindesmutter im Rahmen der beantragten Verfahrenskostenhilfe gem. § 78 Abs. 2 FamFG ein Rechtsanwalt beizuordnen, da das Merkmal der "tatsächlichen Verhinderung" i.S.d. § 1674 BGB mit erheblichen Unsicherheiten sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen wie auch der rechtlichen Würdigung behaftet ist.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2; BGB § 1674

 

Verfahrensgang

AG Bottrop (Beschluss vom 14.10.2013; Aktenzeichen 19 F 447/13)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 7.7.2011 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bottrop vom 14.10.2013 abgeändert.

Der Antragstellerin wird Herr Rechtsanwalt X aus Bottrop beigeordnet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die leiblichen Eltern des Kindes T B, geboren am... (im Folgenden: das Kind). Die Beteiligten sind seit 2004 geschieden. Der Antragsgegner lebte längere Zeit in N. Er heiratete erneut und ist leiblicher Vater von weiteren Kindern.

Der Antragsgegner stellte Mitte 2012 Unterhaltszahlungen für das gemeinsame Kind ein und verzog nach Mutmaßung der Antragstellerin von N nach Kairo. Kontakt zwischen dem Antragsgegner und dem gemeinsamen Kind bestand nur noch mittelbar und brach Ende März 2013 völlig ab. Nach Behauptung der Antragstellerin sei der Antragsgegner nunmehr untergetaucht.

Die Antragstellerin hat die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für den Antrag beantragt, das Ruhen der elterlichen Sorge des Antragsgegners hinsichtlich des Kindes anzuordnen.

Mit Beschluss vom 14.10.2013 hat das AG - Familiengericht - Bottrop der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt und den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im Verfahren zur Ruhefeststellung die anwaltliche Vertretung weder vorgeschrieben noch wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich sei. Es habe eines Antrages unter Schilderung des vorliegenden Sachverhaltes bedurft, der auch über die Rechtsantragstelle beim AG gestellt werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, soweit die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten zurückgewiesen worden ist. Sie rügt, dass ihr Verfahrensbevollmächtigter vor nicht allzu langer Zeit nahezu parallel zwei Anträge auf Ruhen des Sorgerechts zu bearbeiten gehabt habe, die den identischen Sachverhalt betroffen hätten. Beide beteiligten AG hätten nach deutlichem Zeitablauf von 5 bzw. 7 Monaten mitgeteilt, dass Bedenken gegen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bestünden. Erst durch die Inanspruchnahme und Einschaltung des Verfahrensbevollmächtigten sei dieses Verfahren gefördert worden. Der Senat habe seinerzeit die Beiordnung in dem Verfahren II-2 WF 213/11 ausgesprochen. Insofern habe ihr Verfahrensbevollmächtigter es für richtig gehalten, den Antrag nicht selbst zu stellen, sondern über ihren Verfahrensbevollmächtigten.

Das AG - Familiengericht - Bottrop hat mit weiterem Beschluss vom 29.10.2013 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend hat es ausgeführt, dass mit der Beschwerde neue Gesichtspunkte nicht vorgetragen worden seien. Nach Ingangsetzung des Verfahrens erfolge die Amtsermittlung durch das Gericht. Das Rechtsverfolgungsziel sei durch die unmittelbare Inanspruchnahme des Familiengerichts zu erreichen gewesen.

II. Die gemäß den §§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG wird dem Beteiligten dann, wenn - wie im vorliegenden Verfahren - eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

2. Bei der gebotenen objektiven Bemessung der Schwierigkeit kann jeder der genannten Umstände, d.h. sowohl die Schwierigkeit der Rechtslage als auch die Schwierigkeit der Sachlage für sich allein die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe erforderlich machen. Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage eines Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2010 - XII ZB 232/09, MDR 2010, 1145 = FamRZ 2010, 1427). Dabei sind als Abwägungskriterien auch die subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten zu berücksichtigen, insbesondere seine Fähigkeit, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 7.5.2010 - 10 WF 78/10 - SchlHA 2011, 205).

a) Ob die Beiordnung i.S.v. § 78 Abs. 2 FamFG erforderlich erscheint, hängt also davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen ...

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