Leitsatz (amtlich)

1. Wird die Feststellung der tatsächlichen Verhinderung nach § 1674 Abs. 1 BGB begehrt, ist wegen der hiermit verbundenen erheblichen Unsicherheiten, sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen wie auch der rechtlichen Würdigung, kein Fall der Mutwilligkeit i.S.d. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO anzunehmen.

2. Eine Inhaftierung kann geeignet sein, die tatsächliche Verhinderung an der Ausübung der Personensorge zu begründen.

3. Die Inanspruchnahme außergerichtlicher Beratung durch das Jugendamt ist grundsätzlich nicht Voraussetzung für das Entstehen des Rechtschutzinteresses für ein gerichtliches Verfahren (Fortführung von OLG Hamm, Beschl. v. 18.12.2003 - 2 WF 420/03, FamRZ 2004, 1116).

 

Normenkette

FamFG § 76; ZPO § 114; BGB § 1674 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Detmold (Beschluss vom 27.06.2011; Aktenzeichen 32 F 426/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 7.7.2011 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Detmold vom 27.6.2011 abgeändert.

Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt X aus C2 bewilligt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die geschiedenen Kindeseltern des Kindes B.

Im Verfahren 21 F 168/09, AG Bottrop, einigten sich die Beteiligten darauf, dass das Kind B in die seinerzeitige Wohnung des Antragsgegners und dessen Lebenspartnerin zog. Der Antragsgegner befindet sich derzeit in Strafhaft in Viterbo/Italien. Das Kind B verblieb zunächst weiterhin in der Wohnung des Antragsgegners. Derzeit hält sich das Kind B bei der Frau T in E auf.

Im Jahre 2010 versuchte die Antragstellerin erfolglos, das alleinige Sorgerecht hinsichtlich der gemeinsamen Tochter D übertragen zu erhalten. Das AG Bottrop, 21 F 119/10, wies die für ihren Sorgerechtsantrag vom 30.8.2010 nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurück. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde seitens des Senats durch Beschl. v. 30.11.2010 - II-2 WF 272/10 - mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Der Senat führte zur Begründung aus, dass ein kostenbewusster Beteiligter nicht auf eigene Kosten ein Verfahren nach § 1671 BGB einleitete, sondern jedenfalls zunächst auf die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 Abs. 1 BGB antrüge.

Die Antragstellerin hat behauptet, dass der Antragsgegner einen auch mit dem Kind B durchgeführten Urlaub zu Drogengeschäften genutzt habe. Sie hat gemeint, dass eine Übertragung des Sorgerechts alleine auf sie wegen des Alters des Kindes B untunlich sei. Insofern sei ausreichend, dass das Sorgerecht des Antragsgegners, der dieses aus tatsächlichen Gründen nicht ausüben könne, ruhend gestellt werde. Dies entspreche auch dem Wunsch des Kindes B.

Sie hat unter dem 3.9.2010 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag auf Anordnung des Ruhens des Sorgerechts des Antragsgegners für das Kind B begehrt.

Der Antragsgegner hat behauptet, er wolle das Sorgerecht nicht verlieren; er stimme jedoch einem Ruhen seines Sorgerechts zu.

Das AG hat mit Beschluss vom 23.12.2010 festgestellt, dass die elterliche Sorge des Antragsgegners ruhe und die elterliche Sorge alleine von der Antragstellerin ausgeübt werde. Zugleich hob es die Verfahrenskosten gegeneinander auf. Mit Verfügung vom 23.12.2010 wies das AG die Antragstellerin darauf hin, dass es beabsichtige, den Verfahrenskostenhilfeantrag wegen Mutwilligkeit zurückzuweisen. Der Antrag auf Ruhen der elterlichen Sorge hätte bei Gericht zu Protokoll erklärt werden können. Auch hätte das Jugendamt als Beratungsstelle in Anspruch genommen werden können. Mithin sei kein Grund für eine anwaltliche Vertretung erkennbar. Mit weiterem Beschluss vom 27.6.2011 wies das AG den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Wiederholung des Inhalts der vorgenannten Verfügung als Begründung zurück.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie rügt, das AG habe verkannt, dass sie, die Antragstellerin, im Zeitpunkt der Antragstellung keinen Kontakt zum Antragsgegner gehabt habe und sie einen derartigen Kontakt auch nicht habe herstellen können, da die Lebenspartnerin des Antragsgegners ausdrücklich angewiesen gewesen sei, keinerlei Auskünfte über dessen Aufenthaltsort, auch dem Jugendamt gegenüber, preiszugeben. Dass die Sach- und Rechtslage schwierig gewesen sei, zeige sich auch daran, dass es zehn Monate gedauert habe, bis über ihren Verfahrenskostenhilfeantrag entschieden worden sei. Überdies habe sie am 24.1.2011 beim AG Bottrop - ohne anwaltlichen Beistand - einen Antrag auf Ruhendstellung des Sorgerechts des Antragsgegners hinsichtlich der bei ihr lebenden gemeinsamen Tochter D gestellt. Dort sei ihr aber mit Hinweis vom 21.7.2011 erklärt worden, dass ausreichende Gründe für ein Ruhefeststellen nicht dargetan seien; die Tatsache der Auslandsinhaftierung und behaupteten schwierigen Gestaltung stelle kein tatsächliches Ausübungshindernis dar. Auch sei zu beachten, dass...

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