Normenkette

ZPO § 273 Abs. 2 Nr. 4; BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 15 O 169/00)

 

Tenor

Der der Klägerin von dem Beklagten zu erstattende Betrag wird abändernd auf 1.887,47 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.10.2000 festgesetzt.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 396,33 DM.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin (§ 104 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG) ist zulässig und begründet.

Der Rechtspfleger hat zu Unrecht die von beiden Seiten zur Festsetzung angemeldete Beweisgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) abgesetzt. Denn die Anwälte haben die Parteien in einem Beweisaufnahmeverfahren i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO vertreten.

Die vom LG zum Kammertermin vom 29.8.2000 gem. § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO vorbereitend geladenen Zeugen sind allerdings nicht vernommen worden. Auch die Anordnung der vorbereitenden Ladung von Zeugen stellt selbst dann noch keine Beweisaufnahme dar, wenn – wie hier – den Zeugen ein Beweisthema mitgeteilt worden ist (vgl. OLG Hamm JurBüro 1990, 864). Ebenso wenig reicht aus, dass der Einzelrichter den Kammertermin vom 29.8.2000 im Zusammenhang mit der vorbereitenden Zeugenladung als „Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Durchführung einer Beweisaufnahme” bezeichnet hat (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 27.2.1992 – 23 W 72/92, unveröffentlicht). Schließlich ist auch die vorsorgliche Belehrung von Zeugen, weil sie hier ebenfalls erfolgt ist, noch kein Beginn einer Beweisaufnahme.

Eine Beweisgebühr ist hier aber dadurch entstanden, dass die Kammer im Termin vom 29.8.2000 den Beschluss verkündet hat, die Zeugen sollten über die in ihr Wissen gestellten Tatsachen vernommen werden, und die Anwälte diesen Beschluss – wie regelmäßig vermutet werden kann – überprüft haben.

Ein Beweisaufnahmeverfahren beginnt jedenfalls mit der Anordnung der Beweisaufnahme durch das Gericht im Termin. Für die Entstehung einer Beweisgebühr ist zusätzlich subjektiv eine Vertretung durch den Anwalt im Beweisaufnahmeverfahren erforderlich. Er muss in Wahrnehmung der Parteirechte zur Förderung der Beweisaufnahme tätig werden. Seine bloße Anwesenheit bei der Verkündung des Beweisbeschlusses und die Kenntnisnahme von seinem Inhalt unterfallen zwar noch der durch die Prozessgebühr abgedeckten Tätigkeit. Es reicht aber, wenn der Rechtsanwalt den Beweisbeschluss auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft (von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 31 Rz. 124; Keller in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 31 Rz. 130; Göttlich/Mümmler, BRAGO, Stichwort: „Beweisgebühr”, Anm. 8.2). Dabei ist grundsätzlich anzunehmen, dass der innerhalb des Beweisverfahrens tätige Anwalt eine solche Prüfung auch vornimmt (von Eicken, in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 31 Rz. 124; Keller in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 31 Rz. 130; Göttlich/Mümmler, BRAGO, Stichwort: „Beweisgebühr”, Anm. 8.2).

Nach den Umständen des vorliegenden Falles muss auch hier von einer solchen Sachlage ausgegangen werden. Im Anschluss an die Belehrung der Zeugen und den gerichtlichen Beschluss, sie sollten vernommen werden, hat das Gericht zwar zunächst die gleichzeitig angeordnete Anhörung der Parteien durchgeführt, die keine Beweisaufnahme darstellte. Dennoch bestand für die Anwälte nach der Anordnung der Zeugenvernehmung unmittelbar Veranlassung, auch diese nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern in Erfüllung ihrer Pflicht zur umfassenden Wahrnehmung der Rechte und Interessen der Parteien zu prüfen. Dabei schadet nicht, dass sie sich zu diesem Punkt nicht geäußert haben. Eine Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren liegt nämlich unabhängig davon vor, ob die Anwälte das Ergebnis der Prüfung ggü. anderen Prozessbeteiligten zum Ausdruck bringen.

Für die Entstehung der Beweisgebühr ist schließlich nicht erforderlich, dass die Beweisanordnung später tatsächlich zur Ausführung kommt, oder schädlich, dass sie sich als von vornherein überflüssig oder überholt erweist. Auch insoweit bestehen daher gegen den Ansatz der Beweisgebühr keine Bedenken, nachdem die Kammer von der Zeugenvernehmung nach Klärung durch Parteianhörung abgesehen hat.

Bei der Kostenfestsetzung ist folglich entsprechend dem Begehren der Klägerin auf beiden Seiten (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 106 Rz. 6) eine Beweisgebühr von 1.025 DM zzgl. 16 % Umsatzsteuer (1.189 DM) zu berücksichtigen. Da der Beklagte nach dem am 21.9.2000 geschlossenen Vergleich 2/3 und die Klägerin 1/3 der Kosten zu tragen hat, erhöht sich der der Klägerin zu erstattende Betrag um 2/3 × 1.189 DM – 1/3 × 1.189 DM = 396,33 DM.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Sandmann Rautenberg Dr. Funke

 

Fundstellen

Haufe-Index 1105974

JurBüro 2001, 637

OLGR Hamm 2002, 315

AGS 2002, 7

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