Leitsatz (amtlich)
Ein Fahrverbot nach § 44 StGB kann nach langer Zeit - hier zwei Jahren drei Monaten - jedenfalls dann nicht mehr verhängt werden, wenn der Zeitraum zwischen Tat und letzter Tatsacheninstanz nicht in den Verantwortungsbereich des Angeklagten fällt.
Verfahrensgang
LG Münster (Entscheidung vom 02.11.2004; Aktenzeichen 5 Ns 17 Js 1583/02 (154/03)) |
AG Münster (Entscheidung vom 04.06.2003; Aktenzeichen 18 Ds 17 Js 1583/02 (721/02)) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Verhängung des Fahrverbotes aufgehoben. Das Fahrverbot entfällt.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
Der Angeklagte ist durch das Amtsgericht Münster am 4. Juni 2003 wegen Beleidigung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 75,00 Euro sowie zu einem Fahrverbot von einem Monat Dauer verurteilt worden. Seine dagegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Münster durch das angefochtene Urteil vom 2. November 2004 mit der Maßgabe verworfen, daß die Tagessatzhöhe auf 70,00 Euro herabgesetzt worden ist.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte am 18. Juli 2002 gegen 17.30 Uhr als Führer des Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen MS-xxxxx auf der Hammer Straße in Münster nach der Einmündung der Friedrich-Ebert-Straße die Zeugin Gr. durch eine Handgeste beleidigt, anschließend versucht, sie zum schnelleren Fahren zu nötigen und sie sodann erneut durch Handgesten beleidigt.
Die Revision erweist sich zum Schuldspruch sowie hinsichtlich der Verhängung der Einzelgeldstrafen von 10, 30 und 15 Tagessätzen, der gebildeten Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen und der Tagessatzhöhe von 70,00 Euro als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Keinen Bestand haben kann allein wegen des Zeitablaufs zwischen Tat und Berufungshauptverhandlung die Verhängung des einmonatigen Fahrverbotes. Insoweit konnte der Senat trotz der grundsätzlich bestehenden Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entscheiden und erkennen, daß die Anordnung des Fahrverbotes entfällt. Der Senat kann ausschließen, daß eine neue Hauptverhandlung Feststellungen ergeben könnte, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen würde. Die Verhängung einer schwereren Hauptstrafe wäre aufgrund des zu beachtenden Verschlechterungsverbotes ohnehin nicht zulässig.
Das Fahrverbot ist als Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer vorgesehen, um den Täter vor einem Rückfall zu warnen und ihm ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu vermitteln (vgl. BT-Drucksache IV/651 S. 12). Diese Warnungs- und Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot - auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter - aber nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Eine Verhängung, die sich nach allgemeinen Strafzumessungserwägungen richtet, kommt nach einhelliger Ansicht jedenfalls für sehr lange zurückliegende Taten nicht mehr in Betracht (Tröndle, StGB, 52. Auflage, § 44 Rdnr. 2; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Auflage, § 44 StGB Rdnr. 3, Schönke-Schröder-Stree, StGB, 26. Auflage, § 44 Rdnr. 15 jeweils m.w.N.).
Vorliegend hat der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten am 18. Juli 2002 begangen. Die Strafkammer hat das Fahrverbot in der Sitzung vom 2. November 2004, also mehr als zwei Jahre drei Monate später, verhängt. Zu diesem Zeitpunkt konnte es seinen spezialpräventiven Charakter jedoch nicht mehr entfalten. Auch der von der Strafkammer herangezogene Gesichtspunkt, der Angeklagte habe drei Straftaten begangen, von denen jede einzelne die Verhängung eines Fahrverbotes gerechtfertigt hätte, und die weitere Erwägung, sie hätte die Verhängung eines längeren Fahrverbotes für richtig erachtet, führt angesichts der außergewöhnlich langen Zeitspanne zwischen Taten und Urteil, die ihre Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Angeklagten hat, zu keiner anderen Beurteilung.
Der Senat hat davon abgesehen, die Kosten der Revision teilweise der Staatskasse aufzuerlegen. Das Ziel der Revision war in erster Linie darauf gerichtet, den Angeklagten freizusprechen, hilfsweise das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückzuverweisen. Nur äußerst hilfsweise ging sein Begehren dahin, die Tagessatzhöhe von 60,00 Euro herabzusetzen und das Urteil dahingehend abzuändern, daß das Fahrverbot entfällt. Da der Erfolg des Rechtsmittels sehr gering ist und davon auszugehen ist, daß der Angeklagte auch dann das Rechtsmittel eingelegt hätte, wenn das Landgericht kein Fahrverbot verhängt hätte, erscheint es nicht unbillig, ihn mit den gesamten Kosten des Revisionsverfahrens zu belasten (vgl. § 473 Abs....