Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Bemessung eines Schmerzensgeldes ist sowohl für die Ausgleichsfunktion als auch in besonderem Maße für die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes der Grad der Verursachung von Bedeutung, mit welchem die schädigende Handlung zu den Leiden des Verletzten beigetragen hat.
2. Wenn die Gesundheitsbeeinträchtigungen Auswirkungen einer Schadensanfälligkeit sind, kann es geboten sein, in die Billigkeitsentscheidung miteinzubeziehen, inwieweit die körperlichen Beschwerden des Verletzten einerseits durch den Unfall und andererseits durch die vorher vorhandene krankhafte Anlage verursacht wurden.
Normenkette
StVG §§ 7, 11 S. 2, § 18; VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 21 O 72/16) |
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten erscheint.
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Gründe
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Ersatz immaterieller und materieller Schäden sowie Feststellung einer Ersatzpflicht mit Blick auf Zukunftsschäden im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall auf der X in E am 30.11.2015, bei dem die Beklagte zu 1) auf den Pkw der Klägerin auffuhr. Dass die Beklagten für die Unfallfolgen dem Grunde nach vollständig haften, ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
Die Beklagte zu 2) hat während des erstinstanzlichen Verfahrens Zahlungen auf die geltend gemachten materiellen Schäden erbracht, worauf die Parteien den Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Sie hat zudem einen Betrag von 400,00 EUR - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - auf die Schmerzensgeldforderung der Klägerin gezahlt.
Mit angefochtenem Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz Bezug genommen wird, hat das Landgericht E dem Ersatzbegehren mit Blick auf die materiellen Schäden, soweit diese nicht von der Erledigungserklärung erfasst waren, weitestgehend entsprochen. Lediglich mit Blick auf die begehrte Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren hat es eine Kürzung vorgenommen, mit der Begründung, dass lediglich eine 1,3-fache, nicht aber die vorliegend klägerseits in Ansatz gebrachte 1,5-fache Gebühr zu ersetzen sei. Als Schmerzensgeld hat das Landgericht der Klägerin einen Betrag von 3.500,00 EUR abzüglich der gezahlten 400,00 EUR zugesprochen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Landgericht insbesondere darauf abgestellt, dass die bei der Kollision auf den Körper der Klägerin einwirkenden Kräfte vergleichsweise gering gewesen und für die bei der Klägerin durch den Unfall verursachten Beschwerden bestehende degenerative Vorschäden mitursächlich gewesen seien. Die Beeinträchtigungen seien lediglich hinsichtlich eines zeitlich begrenzten Zeitraums von allenfalls neun Monaten den Beklagten zuzurechnen. Im Feststellungsantrag hat das Landgericht die Klage gestützt auf das eingeholte Gutachten des T mit der Begründung abgewiesen, dass künftige nicht voraussehbare und nicht bereits in die Schadensersatzberechnung eingeflossene Beeinträchtigungen nicht zu erwarten seien.
Mit der Berufung, mit der die Klägerin die Abänderung des angefochtenen Urteils begehrt, greift sie dieses insoweit an, als der ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag hinter dem Betrag von 8.000,00 EUR zurückbleibt; sie verfolgt zudem ihren Anspruch auf Freistellung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren im Umfang ihres erstinstanzlichen Antrags sowie ihren Feststellungsantrag weiter. Zur Begründung macht die Klägerin geltend, das Landgericht habe bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die tatsächlichen durch den Unfall bei der Klägerin eingetretenen Verletzungen und Verletzungsfolgen nicht hinreichend berücksichtigt. Insbesondere sei nicht hinreichend in die Wertung eingeflossen, dass die bestehende Vorschädigung bis zum Unfall keinerlei Beschwerden verursacht habe. Das Landgericht, welches sich nach den Ausführungen im Urteil bei der Bemessung des Schmerzensgeldes an anderen Urteilen habe orientieren wollen, habe es zudem versäumt, Vergleichsurteile konkret zu benennen. Soweit das Landgericht davon ausgehe, dass Beeinträchtigungen der Klägerin nicht mehr auf das Unfallgeschehen zurückzuführen seien, was insbesondere für die Beschwerden im Brustbereich gelte, sei dies nahezu willkürlich. Schmerzensgelderhöhend hätte zudem das verzögernde Regulierungsverhalten der Beklagten berücksichtigt werden müssen. Mit Blick auf den Feststellungantrag habe das Landgericht das Gutachten falsch zitiert; dieses weise mit Blick auf die angenommene Dauer von unfallbedi...