Entscheidungsstichwort (Thema)
Verteidiger. richterliche Vernehmung eines Zeugen. Verwertungsverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, wann einem Angeklagten, der zum Zeitpunkt der richterlichen Vernehmung eines Zeugen keinen Verteidiger hat, ein Verteidiger bestellt werden muss.
2. Wird gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Bestellung eines Pflichtverteidigers verstoßen, führt dies jedoch nicht zur Unverwertbarkeit der Aussage der richterlichen Verhörperson, sondern - vergleichbar mit Fällen einer pflichtwidrig versagten Beteiligung an der richterlichen Vernehmung oder des anonymen Zeugen - zu besonders strengen Beweis- und Begründungsanforderungen im tatrichterlichen Urteil.
Normenkette
StPO § 141 Abs. 3; EMRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. d)
Verfahrensgang
AG Detmold (Entscheidung vom 01.08.2017) |
LG Detmold (Aktenzeichen 25 Ns 75/17) |
Tenor
Die Revision wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
I.
Das Amtsgericht Detmold hat den Angeklagten durch Urteil vom 1. August 2017 von dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in sechs Fällen freigesprochen. Auf die gegen das Urteil gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft Detmold hat das Landgericht Detmold am 18. Januar 2018 das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Seit dem 18. Januar 2018 befindet sich der Angeklagte aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts Detmold vom selben Tag in Untersuchungshaft.
Gegen das Urteil des Landgerichts, welches dem Angeklagten am 7. März 2018 zugestellt worden ist, hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. Januar 2018 Revision eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. März 2018, bei Gericht eingegangen am selben Tag, begründet. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1.
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen vollständig den Schuldspruch und beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung ist ureigene Aufgabe des Tatrichters und durch das Revisionsgericht nur auf rechtliche Fehler zu prüfen, nicht aber durch eine eigene Beweiswürdigung zu ersetzen (BGHSt 10, 208; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 60. Auflage 2017, § 337 Rn. 26 mwN). Rechtsfehler weist die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung nicht auf.
Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von der Verwertbarkeit der Aussage der richterlichen Verhörperson, der Zeugin M, ausgegangen ist. Zwar ist zutreffend, dass dem Angeklagten, der zum Zeitpunkt der richterlichen Vernehmung der Zeugin T keinen Verteidiger hatte, ein Verteidiger hätte bestellt werden müssen, § 141 Abs. 3 StPO i.V.m. Art. 6 Buchst. d MRK (vgl. BGHSt 46, 93). Denn jedenfalls im Verlauf der richterlichen Vernehmung, von welcher der Angeklagte gemäß § 168 c Abs. 3 StPO ausgeschlossen war, zeichnete sich ab, dass die Mitwirkung eines Verteidigers im gerichtlichen Verfahren notwendig sein würde. Es standen bereits Vorwürfe massiver und mehrfacher Misshandlungen im Raum. Tatsächlich erfolgte nach Erhebung der Anklage eine Bestellung des Rechtsanwalts C als Pflichtverteidiger auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 21. Juni 2016.
Zwar durfte der Angeklagte von der richterlichen Vernehmung der Belastungszeugin T ausgeschlossen werden und eine Benachrichtigung von der Vernehmung gemäß § 168 c Abs. 3, 5 StPO konnte unterbleiben. Denn sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Ermittlungsrichterin haben eine Gefährdung des Untersuchungserfolges bejaht. Der so entstandenen Beschränkung des Fragerechts des Angeklagten hätte allerdings durch die Bestellung eines Pflichtverteidigers begegnet werden müssen. Dieses Versäumnis mindert den Beweiswert des Vernehmungsergebnisses, welches durch den Rückgriff auf die Vernehmungsrichterin zur Grundlage der Urteilsfindung wurde. Der im Vorverfahren begangene Verfahrensfehler wirkt mithin in der Hauptverhandlung fort; dies unterliegt der revisionsrechtlichen Prüfung (BGH aaO).
Der dargestellte Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unverwertbarkeit der Aussage der richterlichen Verhörperson, sondern - vergleichbar mit Fällen einer pflichtwidrig versagten Beteiligung an der richterlichen Vernehmung (BGHSt 34, 231; BGHSt NStZ 1998, 312; BGH StV 2017, 776) oder des anonymen Zeugen (BGH NStZ 1998, 97, 2000, 265) - zu besonders strengen Beweis- und Begründungsanforderungen (BGHSt 46, 93, 103). Zum einen hat der Tatrichter zu beachten, dass die Glaubwürdigkeitsbeurteilung mit dem Instrumentarium der Aussageanalyse begrenzt ist, weil die Aussage durch das Fehlen eines kontradiktorischen Verhörs nur beschränkt aufgeklärt u...