Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisantragsrecht. Beweisantrag. Beweisermittlungsantrag. Anforderungen an die Urteilsgründe bei Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit. sonstige präsente Beweismittel. Urteilsanforderungen bei sogenannten Aussagegegen-Aussage-Konstellationen
Leitsatz (amtlich)
1. Gegenstand des Zeugenbeweises können nur solche Umstände sein, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises.
2. Wird ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache abgelehnt, muss der Beschluss die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihr aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch beimisst. Hierbei entsprechen die Anforderungen an diese Begründung denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Tatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidung ohne Einfluss geblieben sind. Dies nötigt zu einer Einführung der behaupteten Beweistatsache in das bis dahin gewonnene Beweisergebnis.
3. Der Begriff des fehlenden Zusammenhangs im Sinne des § 245 Abs. 2 S. 3 StPO ist wesentlich enger als der Begriff der Bedeutungslosigkeit im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO. Der Ablehnungsgrund greift nur ein, wenn zwischen Beweistatsache und Gegenstand der Urteilsfindung jede Sachbezogenheit objektiv fehlt.
4. Bei einer Aussagegegen-Aussage-Konstellation hat der Tatrichter grundsätzlich im Wege einer umfassenden Gesamtwürdigung alle möglicherweise entscheidungsbeeinflussenden Umstände darzustellen und in seine Überlegungen mit einzubeziehen.
Normenkette
StPO §§ 244-245
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 33 Ns 149/16) |
Tenor
- Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
- Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Essen hat gegen die Angeklagte mit Urteil vom 01. Juli 2016 wegen Anstiftung zur Untreue und wegen Computerbetruges in 27 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt.
Mit dem hier angefochtenen Urteil vom 19. Februar 2018 hat die XIII. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen das erstinstanzliche Urteil auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten dahin abgeändert, dass gegen die Angeklagte wegen Computerbetruges in siebzehn Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verhängt worden ist. Überdies wurde die Einziehung von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 17.000,00 Euro angeordnet. Die weitergehenden Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten wurden verworfen.
Gegen das in ihrer und ihres Verteidigers Anwesenheit verkündete Berufungsurteil wendet sich die Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision, eingelegt mit Telefax-Schriftsatz ihres Verteidigers vom 26. Februar 2018. Mit weiterem Schriftsatz ihres Verteidigers vom 26. April 2018 begründet die Angeklagte ihre Revision unter näherer Darlegung mit der Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Sie beantragt,
das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantragt in ihrer Zuschrift vom 24. September 2018,
die Revision der Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen und die Urteilsformel dahingehend zu berichtigen, dass die Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird, soweit ihr eine Untreue zur Last gelegt und sie lediglich in 17 statt in 25 Fällen wegen Computerbetruges verurteilt worden ist.
Mit weiterem Schriftsatz ihres Verteidigers vom 15. Oktober 2018 hat die Angeklagte eine Gegenerklärung zu der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft zu den Akten gereicht und hierin ergänzende und vertiefende Ausführungen gemacht.
II.
Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision der Angeklagten gegen das Berufungsurteil der XIII. kleinen Strafkammer ist begründet.
1.
Die Revision hat mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts Erfolg.
a)
Mit Beschluss vom 17. Januar 2018 (vgl. Anlage III zum Tagesprotokoll vom 17. Januar 2018) hat die Strafkammer den im Hauptverhandlungstermin vom selben Tage und als Anlage II zum Tagesprotokoll genommenen Beweisantrag der Angeklagten verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 S. 2 StPO abgelehnt.
aa)
Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die Angeklagte hat beantragt,
Herrn K zu laden und zum Beweis folgender Tatsachen zu vernehmen:
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