Leitsatz (amtlich)
1. Räumt der Vermieter dem Mieter in einem gewerblichen Mietvertrag ein Sonderkündigungsrecht bei Nichterreichen eines bestimmten Umsatzes in einem bestimmten Mietjahr ein, ohne dass insoweit Einschränkungen hinsichtlich des Grundes des Nichterreichens des Umsatzes verabredet sind, berechtigt dies den Mieter auch dann zur Kündigung, wenn er den Umsatz lediglich pandemiebedingt verfehlt, in den Vorjahren hingegen erzielt hat (siehe schon LG Münster, Urteil vom 01.04.2022 - 10 O 2/22, ZMR 2022, 551).
2. Dem Vermieter steht dann hinsichtlich des Kündigungsrechts auch kein Recht auf Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage zu, da er das Risiko einer pandemiebedingten Schließung des Mietlokals übernommen hat.
Normenkette
BGB §§ 313, 535
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 010 O 2/22) |
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 01.04.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster - 010 O 2/22 - nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
I. Die Parteien streiten über die Beendigung eines gewerblichen Mietverhältnisses.
Unter dem 26.01./05.02.2016 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über eine Ladenfläche im EG2 im noch zu errichtenden Einkaufszentrum "A" ab (Anl. K1, Bl. 37 ff. eA-LG).
§ 3.1 des Mietvertrages sieht vor, dass das Mietverhältnis am Übergabetag beginnen und eine Laufzeit von 10 Jahren haben sollte. Zudem ist in § 5.2.1 eine Umsatzmiete vereinbart, die 4 % des Jahresumsatzes entspricht, wobei gemäß § 5.1.1 monatlich jedoch wenigstens eine Mindestmiete i.H.v. 3.198 EUR netto zu zahlen ist und zusätzlich Nebenkostenvorauszahlungen zu entrichten sind. § 11 bestimmt darüber hinaus eine Betriebspflicht des Mieters, wonach das Geschäftslokal im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen und behördlichen Regelungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufstagen so lange offen zu halten ist, wie die überwiegende Anzahl aller Ladenmieter ihr Geschäft offen hält. Zeitweise Schließungen sind hiernach grundsätzlich ohne Zustimmung des Vermieters unzulässig .Vereinbart ist ferner, dass ein Verstoß gegen die Betriebspflicht den Vermieter zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt sowie eine Vertragsstrafe begründet. Beigefügt waren dem Mietvertrag die Anlagen B1 bis B7.
Ziff. 3.1 der Anlage B 6 sieht u.a. folgende Regelung vor:
"Abweichend von den Regelungen in Abs. 1 hat der Mieter das Recht, das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen einmalig zum Ablauf des 31.08.2021 mit einer Frist von 6 (sechs) Monaten zu kündigen, sofern der in der Geschäftseinheit erzielte Gesamtumsatz in dem Kalenderjahr 2020 gemäß der vom Mieter dem Vermieter vorgelegten testierten Umsatzmeldung weniger als 600.000,00 netto beträgt".
Darüber hinaus vereinbarten die Parteien in dieser Anlage eine monatliche Mindestmiete ab dem 3. Mietjahr i.H.v. 3.444 EUR und ab dem 5. Mietjahr i.H.v. 3.690 EUR. Zudem trafen sie eine zu § 22 des Mietvertrages ergänzende Regelung im Falle von Betriebsunterbrechungen.
Hinsichtlich der weiteren Vereinbarungen wird auf den Mietvertrag vom 26.01./05.02.2016 nebst Anlagen Bezug genommen.
Im Folgenden schlossen die Parteien unter dem 29.03./05.04.2016 einen ersten Nachtrag zum Mietvertrag, sowie unter dem 05.09./07.09.2017 einen weiteren Nachtrag, in dem als Übergabetag der 29.08.2016 und ein Mietzeitende mit Ablauf des 30.09.2026 bestimmt wurde.
Im Jahr 2017 erzielte die Beklagte in dem Geschäftslokal einen Umsatz i.H.v. 800.849 EUR, im Jahr 2018 i.H.v. 774.564 EUR und im Jahr 2019 erreichte sie einen Umsatz i.H.v. 782.577 EUR.
Aufgrund der mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden behördlichen Anordnungen musste die Beklagte ihren Betrieb in der Zeit vom 18.03. bis zum 19.04.2020 sowie ab dem 16.12.2020 schließen.
Unter dem 25.03.2020 wandte sich die Verwalterin der Klägerin an die Beklagte und bot die Stundung der Miete für April 2020, alternativ die Reduzierung der Miete um 50 %, an (Anl. B1, Bl. 210 eA-LG). Die Beklagte bat die Klägerin mit Schreiben vom 31.03.2020 (Anl. K5, Bl. 287 eA-LG) um Verständnis dafür, dass die Miete vorerst ausgesetzt werde, und erklärte, sie hoffe auf die Erarbeitung einer partnerschaftlichen Lösung.
Sodann vereinbarten die Parteien unter dem 24./27.04.2020 einen dritten Nachtrag zum Mietvertrag, in dem sie bestimmten, dass für den Monat April 2020 eine Reduzierung der Miete um 50 % erfolge. Ziff. 11 2. des Nachtrags Nr. 3 enthält zudem - so der übereinstimmende Vortrag der Parteien - die Regelung, dass die im Mietvertrag vereinbarten Regelungen fortgelten, soweit diese nicht im Widerspruch zu den Regelungen des 3. Nachtrags stehen.
Entsprechend zahlte die Beklagte für den Monat April 20...