Leitsatz (amtlich)
›Sofern eine Strafe von mehr als 2 Jahren verhängt worden ist, ist Voraussetzung für die Anrechnung von Behandlungszeiten auf die Strafe gemäß § 36 Abs. 3 BtMG unter anderem auch, daß der noch zu vollstreckende Rest 2 Jahre nicht übersteigt.‹
Gründe
Die Beschwerdeführerin ist durch Urteil der Strafkammer vom 27. August 1985 wegen unerlaubten Erwerbs von Heroin in vier Fällen, davon in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreibens mit Heroin, sowie wegen Diebstahls und wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Verurteilung des Amtsgerichts Aachen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Diese Strafe verbüßt die Verurteilte; Strafende in dieser Sache ist zur Zeit auf den 6. September 1989 notiert.
Die Verurteilte hat beantragt, gem. § 36 Abs. 3 BtMG anzuordnen, daß die Zeit ihrer Behandlung der Betäubungsmittelabhängigkeit in der Nachsorgeeinrichtung vom 15. November 1983 bis zum 21. Dezember 1984 ganz auf die Strafe angerechnet wird. Diese Anordnung hat die Strafkammer durch den angefochtenen Beschluß abgelehnt und dazu, ausgeführt, eine Anrechnung von Therapiezeiten komme hier frühestens in Betracht, wenn ein zu vollstreckender Rest der Gesamtfreiheitsstrafe 2 Jahre nicht übersteige (vgl. § 35 Abs. 2 Nr. 2 BtMG). Hiergegen wendet sich die Verurteilte mit ihrer sofortigen Beschwerde und verweist insbesondere auf einen Aufsatz von Maatz (MDR 1985, 11 ff.).
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
Die Strafkammer hat zu Recht und mit zutreffender Begründung eine Anrechnung der Behandlungszeit auf die Strafe abgelehnt, weil eine gesetzliche Anrechnungsmöglichkeit im gegenwärtigen Zeitpunkt der Vollstreckung nicht besteht.
Die Möglichkeit, nach § 36 Abs. 3 BtMG anzuordnen, daß die Zeit der Behandlung ganz oder zum Teil auf die Strafe angerechnet wird, ist in Fällen vorliegender Art - wenn eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt worden ist - erst gegeben, wenn der zu vollstreckende Rest zwei Jahre nicht übersteigt (§ 35 Abs. 2 Nr. 2 BtMG). Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar zwingend aus dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift des § 36 Abs. 3 BtMG, falls nur dieser Absatz allein berücksichtigt wird. Eine derartige isolierte Betrachtungsweise bei der Auslegung dieser Bestimmung ist jedoch unrichtig; vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften des § 35 und des § 36 BtMG, daß auch für eine Anordnung nach § 36 Abs. 3 BtMG die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 und Abs. 2 dieses Gesetzes hinsichtlich der verhängten Strafe oder des noch zu verbüßenden Restes vorliegen müssen. Für eine Anrechnungsfähigkeit und für eine Anrechnung von Behandlungszeiten ist in jedem Falle erforderlich daß eine höhere Strafe als zwei Jahre nie verhängt worden ist oder daß der noch zu vollstreckende Rest zwei Jahre nicht übersteigt. Dieser Wille kommt im Gesetz dadurch zum Ausdruck, daß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 BtMG an den Beginn der weiteren Vorschriften über die besonderen gesetzlichen Maßnahmen bei Betäubungsmittelabhängigen im Vollstreckungsverfahren gestellt worden ist; hierdurch wird ersichtlich, daß die in § 35 und § 36 BtMG festgesetzten gesetzlichen Maßnahmen nur unter diesen dort genannten Grundvoraussetzungen angeordnet werden sollen. Bei zusammenfassender Sicht der genannten Bestimmungen ist der Zweck dieser Vorschriften erkennbar nicht, ganz allgemein bei allen betäubungsmittelebhängigen Tätern unabhängig von dem Unrechts- und Schuldgehalt der von ihnen begangenen Taten Therapiezeiten auf die Strafe anzurechnen, sondern nur bei solchen, die entweder nur eine Strafe von nicht mehr als zwei Jahren von vornherein zu verbüßen haben oder bei denen der noch zu vollstreckende Rest zwei Jahre nicht übersteigt. Therapie sollte nicht in jedem Falle an die Stelle der Strafe treten, sondern - zumindest bei Taten mit erhöhtem Schuldgehalt - neben die Strafe treten; das ist durch § 35 Abs. 1 und Abs. 2 BtMG zu Beginn der besonderen Anrechnungs- und Aussetzungsvorschriften deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Es fehlt im Gesetz an jedem Anhalt dafür, daß die Anrechnung von Behandlungszeiten auf die erkannte Strafe gemäß § 36 Abs. 2 BtMG völlig losgelöst werden sollte von den Grundvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 und Abs. 2 BtMG hinsichtlich der Strafhöhe; wenn eine derartige Regelung hätte vorgeschrieben werden sollen, so hätte das ausdrücklich und eindeutig angeordnet werden müssen. Das ist aber nicht geschehen. Aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich vielmehr deutlich, daß es sich bei § 36 Abs. 3 BtMG um eine Auffangvorschrift handelt, die Unbilligkeiten des obligatorischen Anrechhungsmodus verhindern, nicht aber den Umfang der Anrechnungsmöglichkeiten erweitern soll und dadurch zusätzliche Unbilligkeiten schaffen würde. Die fakultative Anrechnung nach § 36 Abs. 3 BtMG soll die "obligatorische Anrechnung ergänzen, nicht aber einen größeren Anrechnungsumfang bieten. § 36 Abs. 3 kann deshalb nicht ergänzend, s...