Leitsatz (amtlich)
Die Hoferbfolge bestimmt sich bei Anordnung von Vor- und Nacherbschaft nach dem zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers geltenden Höferecht. Unmaßgeblich ist deshalb, wenn die Hofeigenschaft erst nach dem Tod des Erblassers entfallen ist.
Der im Testament geäußerte Wunsch des Erblassers, dass der Hof erhalten werden solle, ist für die Beurteilung der Hofeigenschaft unerheblich, wenn der Erblasser schon zu Lebzeiten die Bewirtschaftung nicht nur zum Ruhen gebracht, sondern endgültig aufgegeben und dadurch die Hofeigenschaft beseitigt hat.
Die Aufgabe der Bewirtschaftung kann auch schrittweise erfolgen, wenn dies dazu führt, dass ein leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betrieb nicht mehr vorhanden ist.
Normenkette
HöfeO § 1
Verfahrensgang
AG Lemgo (Aktenzeichen 12 a Lw 63/19) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - angewiesen, das erteilte Hoffolgezeugnis vom 15.10.2019 einzuziehen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am 00.00.1924 geborene und am 00.00.2001 verstorbene Erblasser, der Landwirt C B, war Eigentümer des im Grundbuch von A, Blatt Bl01 eingetragenen landwirtschaftlichen Besitzes mit einer Größe von ca. 32 ha. Der Grundbesitz ist als Hof im Sinne der Höfeordnung im Grundbuch eingetragen. Der Einheitswert betrug laut Bescheid vom 08.01.2002 32.109 EUR. Der Erblasser war verheiratet mit Frau D B, die am 00.00.2019 verstorben ist. Aus der Ehe sind die beiden Beteiligten sowie drei weitere Geschwister hervorgegangen.
Der Beschwerdegegner absolvierte nach der Schulausbildung eine Ausbildung zum Landwirt, die er im Jahr 1989 abschloss. Nach Abschluss der landwirtschaftlichen Ausbildung pachtete er im Jahr 1989 den elterlichen Betrieb. Im Jahr 1990 nahm der Beschwerdegegner ein Studium der Agrarwirtschaft auf, das er 1995 als Diplom-Ingenieur in der Fachrichtung Agrarwirtschaft abschloss. Zu diesem Zeitpunkt verpachtete er die Ackerflächen mit einer Größe von 22 ha an den Landwirt E für die Dauer von 12 Jahren und bewirtschaftete bis zum Jahr 2007 nur die Dauergrünlandflächen mit einer Fläche von 6 ha. Nach dem Studium arbeitete der Beschwerdegegner bei verschiedenen agrartechnischen Betrieben in F und G. Seit dem Jahr 2008 ist er als Produktmanager im Bereich des Traktorenbaus bei der Fa. H beschäftigt und lebt mit seiner Familie im Allgäu.
Der Erblasser errichtete am 5.3.2001 ein eigenhändiges Testament, in dem er seine Ehefrau zur alleinigen Vorerbin seines gesamten Vermögens bestimmte. Zum Nacherben seines Hofes ernannte er den Beschwerdegegner, dem er die Verpflichtung auferlegte, den Hof zu erhalten und die Geschwister in ordentlicher Höhe abzufinden. Seine Ehefrau errichtete am 28.08.2011 ein handschriftliches Testament. Darin heißt es unter anderem: "Der im Grundbuch von A Xhof im A soll verkauft werden und zu gleichen Teilen unter den Kindern aufgeteilt werden. Das war auch der Wille meines Ehegatten C B."
Nach dem Tod des Erblassers erteilte das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Lemgo der Vorerbin am 14.01.2002 ein Hoffolgezeugnis. Ferner erteilte es der Vorerbin bezüglich des hoffreien Vermögens einen Erbschein, der sie als Alleinerbin des Erblassers auswies. Nach dem Tod der Vorerbin am 19.6.2019 beantragte der Beschwerdegegner ein Hoffolgezeugnis, das das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Lemgo antragsgemäß am 14.10.2019 erteilte. Darin ist der Beschwerdegegner als Hofnacherbe ausgewiesen. Die Hofstelle nebst 3 ha Hoffläche wurde verkauft. Die Ackerflächen mit einer Größe von 28 ha sind weiterhin dauerhaft an den Landwirt E verpachtet.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.03.2020 beantragte die Beschwerdeführerin, das Hoffolgezeugnis einzuziehen. Zur Begründung führte sie aus, die Erbfolge richte sich nicht nach der Höfeordnung, sondern nach der gesetzlichen Erbfolge des BGB. Der Grund dafür sei, dass ein Hof im Sinne der Höfeordnung weder beim Vorerbfall noch beim Nacherbfall vorhanden gewesen sei. Der Erblasser habe den Betrieb schon mehrere Jahre vor seinem Ableben an den Beschwerdegegner verpachtet und nicht mehr selbst bewirtschaftet. Die Bewirtschaftung des Hofes durch den Erblasser sei schon 1992 endgültig eingestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt seien die Geräte und Maschinen verkauft und die Ländereien verpachtet worden, sodass eine landwirtschaftliche Tätigkeit im eigentlichen Sinne nicht mehr ausgeübt worden sei. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers habe der Hof nicht mehr über funktionsfähige Betriebsmittel verfügt. Im Jahr 1999 habe die Hofstelle nicht mehr als Zentrum des Betriebes fungiert. Die Gebäude seien veraltet gewesen. Das Leibzuchtgebäude sei fremdvermietet gewesen. Der Kuhstall sei nicht mehr als solcher verwendet worden. Die Räumlichkeiten seien in einen Gesellschaftsraum umgewandelt worden, in dem eine Art Hofcafé habe eingerichtet werden sollen. Der Kornbo...