Leitsatz (amtlich)
Bleibt der eingetragene Nacherbenvermerk im Grundbuch bestehen, ist dem Nacherben eine Eintragung im Grundbuch aufgrund einer Verfügung des Vorerben nicht bekannt zu geben.
Normenkette
GBO § 55
Verfahrensgang
AG Marl (Beschluss vom 06.06.2014; Aktenzeichen STH-614-19) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) war aufgrund Erbfolge (Erbschein des AG Marl vom 10.5.2012) am 23.5.2012 als Eigentümerin in dem eingangs genannten Grundbuch eingetragen worden. In Abteilung II des Grundbuchs ist unter lfd. Nr. 4 vermerkt, dass die Beteiligte zu 1) befreite Vorerbin ist und die Nacherbfolge bei Wiederheirat der Vorerbin eintritt. Nacherben seien
a) M, geboren am ... 1958,
b) T, geboren am ... 1962,
c) K, geboren am ... 1955,
d) U, geboren am 30.11.1992.
Die unter a) genannte Frau M ist die Beteiligte zu 2).
Mit notariellem Vertrag vom 19.5.2014 (UR-Nr. 231/2014 des Notars Paul V in E) übertrug die Beteiligte zu 1) das Grundstück unentgeltlich auf ihre Tochter, die Beteiligte zu 2). Aufgrund der erklärten Auflassung trug das Grundbuchamt am 6.6.2014 die Beteiligte zu 2) als Eigentümerin ein.
Mit Beschluss vom 6.6.2014 kündigte das Grundbuchamt an, es sei beabsichtigt, eine Eintragungsnachricht an die eingetragenen Nacherben zu übersenden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abhalf und dem Senat vorlegte.
II.1. Die namens der Beteiligten vom Urkundsnotar eingelegte Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft, weil es sich um eine anfechtbare Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift handelt. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass der Beschluss des AG eine weitere Verfahrenshandlung, nämlich die Übersendung der Eintragungsnachricht an die Erben lediglich ankündigt. Der Begriff der Entscheidung muss im Einzelfall mit Rücksicht auf den Inhalt des jeweils zu vorzunehmenden Geschäfts der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt werden. Die Bekanntgabe einer Grundbuchmitteilung nach § 55 GBO an die im Grundbuch eingetragenen Nacherben ist nicht lediglich eine tatsächliche Handlung, sondern hat nach Maßgabe des § 55 GBO zu erfolgen. Der funktionell zuständige Rechtpfleger des Grundbuchamts muss also nach dem Maßstab der gesetzlichen Vorschrift eine Entscheidung darüber treffen, ob eine Bekanntgabe des eingetragenen Eigentümerwechsels an die Nacherben zu erfolgen hat. Die spätere Versendung der Eintragungsnachrichten schließt zwar das Geschäft ab, hat aber lediglich die Bedeutung der tatsächlichen Ausführung der zuvor von dem Rechtspfleger getroffenen Sachentscheidung. Wenn also die als Ankündigung oder Anordnung formulierte Entscheidung des Rechtspflegers, im Hinblick auf die Bekanntmachung der Eintragung einer neuen Eigentümerin in bestimmter Weise zu verfahren, die maßgebende Weichenstellung für den Abschluss des Geschäfts darstellt, ist es gerechtfertigt, diese Anordnung als Entscheidung i.S.d. § 71 Abs. 1 GBO zu verstehen und damit deren Nachprüfung im Beschwerdeverfahren zu eröffnen (vgl. zum Begriff der Entscheidung i.S.d. § 71 GBO Bauer/von Oefele/Budde, GBO, 3. Aufl., § 71 Rz. 6 und zum vergleichbaren Fall bei der Entscheidung des Rechtspflegers nach § 349 Abs. 1 FamFG, ein gemeinschaftliches Testament nach dem Tode des erstverstorbenen Ehegatten mit seinem ganzen Inhalt bekanntzugeben, OLG Hamm Rpfleger 2012, 543 = DNotZ 2013, 37).
Beschwerdeberechtigt im Rahmen der Grundbuchbeschwerde nach § 71 GBO ist - im Kern sachgleich mit § 59 Abs. 1 FamFG - derjenige, der durch die Entscheidung in seiner Rechtsstellung unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt ist oder wäre, wenn die angefochtene Entscheidung in der behaupteten Weise unrichtig wäre, und deshalb ein rechtliches Interesse an ihrer Beseitigung hat (vgl. etwa BGHZ 80, 126, 127; OLG Hamm FGPrax 1995, 181). Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten leitet sich hier aus ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfG NJW 1984, 419) ab, das beeinträchtigt wird, wenn ohne hinreichende gesetzliche Grundlage Rechtsvorgänge aus ihrem privaten Bereich Dritten bekannt gegeben werden.
2. Die mithin zulässige Beschwerde ist auch sachlich begründet.
Nach § 55 Abs. 1 GBO soll jede Eintragung dem den Antrag einreichenden Notar, dem Antragsteller und dem eingetragenen Eigentümer sowie allen aus dem Grundbuch ersichtlichen Personen bekannt gemacht werden, zu deren Gunsten die Eintragung erfolgt ist oder deren Recht durch sie betroffen wird, die Eintragung eines Eigentümers auch denen, für die eine Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld, Reallast oder ein Recht an einem solchen Recht im Grundbuch eingetragen ist.
Der Wortlaut lehnt sich an den Begriff des Begünstigten i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO und den Begriff des Betroffenen i.S.v. § 19 GBO an (Demharter, GBO, 29. Aufl., § 55 Rz. 12 und Rz. 13). Vorliegend kommt nur der Gesichtspunkt in Betracht, ob die eingetragenen Nacherben durch die Eigentumsumschreibung vom 6.6.2014 in ihren Rechten betroffen sind. Das ist jedoch nicht der Fall.
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