Verfahrensgang

AG Lippstadt (Aktenzeichen 3 C 309/90)

LG Paderborn (Aktenzeichen 5 S 195/91)

 

Tenor

Die Vorschrift des § 556 a Abs. 1 S. 3 BGB findet auf eine Kündigung des Vermieters gemäß § 564 b Abs. 4 S. 1 Ziffer 1 BGB Anwendung.

 

Tatbestand

I.

Das Landgericht Paderborn hat dem Senat mit Beschluß vom 7. November 1991 die folgende Rechtsfrage zum Rechtsentscheid vorgelegt:

„Findet die Vorschrift des § 556 a Abs. 1 S. 3 BGB Anwendung auf eine Kündigung des Vermieters gemäß § 546 b Abs. 4 S. 1 Zif. 1 BGB?”

Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der 87-jährige Beklagte bewohnt in dem Hause der Klägerin mit nur zwei Wohnungen seit über 20 Jahren als Mieter die Dachgeschoßwohnung. Die jetzt 72-jährige Klägerin, die mit einer berufstätigen Tochter in der Erdgeschoßwohnung lebt, kündigte im September 1989 das Mietverhältnis zum 31. Dezember 1990 gemäß § 564 b Abs. 4 BGB mit der Angabe, die Kündigung werde nicht auf § 564 b Abs. 1 BGB gestützt und brauche daher nicht näher begründet zu werden; dem Hinweis auf Möglichkeit, Form und Frist des Kündigungswiderspruchs nach § 556 a BGB fügte sie für den Fall des Widerspruchs die Erklärung hinzu, daß sie sich aus folgenden Gründen zur Kündigung veranlaßt sehe: „Eigenbedarf”. Nach begründetem Widerspruch des Beklagten im März 1990 ließ die Klägerin mitteilen, sie benötige die Dachgeschoßwohnung für die Familie ihrer anderen, nicht berufstätigen Tochter, auf deren Hilfe sie wegen ihrer schweren Erkrankung angewiesen sei.

Das Amtsgericht hat nach Zeugenvernehmung und Einholung von amtsärztlichen Gutachten zu den von beiden Parteien behaupteten Krankheiten die Räumungsklage mit der Begründung abgewiesen, wegen der Erkrankungen und des hohen Lebensalters des Beklagten bedeute die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine besondere Härte, die auch unter Würdigung des Interesses der Klägerin, wegen ihrer Krankheiten eine Hilfsperson im Hause zu haben, nicht zu rechtfertigen sei.

Das Landgericht, bei dem die Beklagte Berufung eingelegt hat, mißt der Vorlagefrage grundsätzliche Bedeutung zu und hält sie für entscheidungserheblich, weil nach seiner Auffassung die Klägerin infolge ihrer Krankheit ein berechtigtes Interesse daran habe, daß ihre nicht berufstätige Tochter als Hilfsperson die zweite Wohnung beziehe, diese im Kündigungsschreiben nicht dargelegten, damals aber bereits vorhandenen Gründe gegenüber den von dem Beklagten geltend gemachten gleichwertig und deshalb im Rahmen einer nach § 556 a Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zugunsten der Klägerin ausschlaggebend seien.

Nach Meinung des Landgerichts ist die vorgelegte Frage zu verneinen.

Die Parteien konnten zu dem Vorlagebeschluß Stellung nehmen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Vorlage ist gemäß § 541 Abs. 1 S. 1 2. Hs. ZPO zulässig.

1.

Die vorgelegte Frage ist entscheidungserheblich.

Das Landgericht geht bedenkenfrei davon aus, daß die Klage nicht etwa deshalb unbegründet ist, weil die Klägerin nach der Behauptung des Beklagten sowohl bei Abschluß des schriftlichen Mietvertrages als auch später zugesichert haben soll, er werde aus der Wohnung nicht ausziehen müssen. Es ist schon zweifelhaft, ob die Parteien damit eine rechtsverbindliche Vereinbarung getroffen haben. Im übrigen bedarf ein Vertrag der die Kündigung für die Lebenszeit des Mieters ausschließt (§ 567 S. 2 BGB), gemäß §§ 566 S. 1, 580 BGB der Schriftform (BGH NJW 1958, 2062, Palandt-Putzo, 51. Aufl., § 566 Rdn. 7; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., § 567 Rdn. 3).

Bedenken gegen die Auffassung des Landgerichts, die Klägerin habe gemäß § 564 b Abs. 4 S. 1 Ziffer 1 BGB gekündigt, bestehen ebenfalls nicht. Aus ihrer abschließenden Erklärung in dem Kündigungsschreiben, sollte der Beklagte der Kündigung nach § 556 a BGB widersprechen, so weise sie jetzt schon darauf hin, daß sie sich aus dem Grund „Eigenbedarf” zur Kündigung veranlaßt sehe, ergibt sich, daß die Klägerin nur im Hinblick auf ein Fortsetzungsverlangen des Beklagten eine zusätzliche Information geben, nicht aber für den Fall des Widerspruchs eine Kündigung nach § 564 b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB aussprechen wollte. Mangels einer solchen Kündigungserklärung bedarf es auch keiner Prüfung, ob und unter welchen Voraussetzungen bei einer Verknüpfung mit einer Kündigung nach § 564 b Abs. 4 BGB die letztere als unwirksam anzusehen ist (vgl. dazu OLG Karlsruhe (RE) NJW 1982, 391; OLG Hamburg (RE) NJW 1983, 182; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV 245; Soergel-Kummer, 11. Aufl., § 564 b Rdn. 13; MünchKomm (MK)-Voelskow, 2. Aufl., § 564 b Rdn. 36; Barthelmess, Kommentar zum 2. WKSchG und zum MHG, 4. Aufl., § 564 b Rdn. 179; Schubert WuM 1975, 1, 3; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., B 698). Aus der Erörterung einer Eigenbedarfskündigung in dem Vorlagebeschluß ergibt sich auch nicht, daß das Landgericht davon ausgehen will, es sei eine Kündigung gemäß § 564 b Abs. 1 BGB miterklärt worden; hierbei handelt es sich offensichtlich nur um Hilfsüberlegungen zur Entscheidungserheblichkeit der ...

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