Verfahrensgang
LG Krefeld (Vorlegungsbeschluss vom 11.03.1992; Aktenzeichen 3 S 217/91) |
AG Krefeld (Aktenzeichen 9 C 346/91) |
Tenor
Die Wohnungskündigung des Vermieters wegen Eigenbedarfs eines seiner Hausstands- oder Familienangehörigen wirkt zugunsten des Angehörigen fort, wenn dieser die Wohnung anschließend erwirbt. Das gilt auch dann, wenn er aus Gründen von § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 bis 4 BGB selber noch nicht kündigen könnte.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt Räumung einer Wohnung, in der der Beklagte seit 1952 als Mieter lebt. Der Kläger hat die Wohnung am 03.12.1990 von seinem Vater gekauft und ist am 20.03.1991 als Eigentümer eingetragen worden. Der Vater hatte das Gebäude seinerseits 1989 erworben, an den darin befindlichen Wohnungen Wohnungseigentum begründet und die Eigentumswohnungen dann veräußert, zuletzt die umstrittene Wohnung an den Kläger. Vorher hatte er dem Beklagten am 20.07.1990 zum 30.04.1991 gekündigt mit der Begründung, er brauche die Wohnung für seinen Sohn (den Kläger). Auf diese Kündigung stützt der Kläger die Räumungsklage.
Der Beklagte beruft sich auf ein lebenslanges Wohnrecht, das er 1977 mit einem früheren Vermieter vereinbart habe, und bestreitet hilfsweise einen Eigenbedarf des Klägers (und zuvor seines Vaters).
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da der Räumungsanspruch derzeit schon im Hinblick auf die Wartezeit gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 S. 2 und 3 BGB keinen Erfolg haben könne. Das Landgericht, bei dem der Kläger Berufung eingelegt hat, neigt ebenfalls zu dieser Ansicht und legt dem Senat die zugrundeliegende Rechtsfrage, der es grundsätzliche Bedeutung beimißt, wie folgt zum Rechtsentscheid vor:
„Wirkt die von dem Verkäufer einer Eigentumswohnung ausgesprochene Kündigung wegen Eigenbedarfs für seinen Sohn fort, wenn dieser die Wohnung selbst erwirbt und für ihn die Kündigungsbeschränkung des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 und 3 BGB gilt?”
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist gemäß § 541 Abs. 1 ZPO zulässig.
1.
Die vorgelegte Frage besteht genau genommen aus zwei Teilen, nämlich
- ob eine Eigenbedarfskündigung zugunsten eines Angehörigen auch nach Wohnungsveräußerung an den Angehörigen weiterwirkt und
- ob das gegebenenfalls auch dann gilt, wenn der Angehörige selbst aus Gründen von § 564 b Abs. 2 Nr. 2 S. 2 bis 4 BGB vorerst nicht kündigen könnte.
Die allgemeinere erste Teilfrage ist unzweifelhaft von grundsätzlicher Bedeutung. Sie spielt sicher nicht nur ganz selten eine Rolle und wird auch in der Literatur gelegentlich behandelt, ohne daß eine einhellige, einen Rechtsentscheid erübrigende Meinung schon feststünde. Die zweite Teilfrage ist zwar sehr viel spezieller – zu ihr ist dem Senat nur die Entscheidung des LG Karlsruhe vom 06.04.1990 (WuM 1990, 353) aufgefallen –, betrifft aber doch nicht nur den hiesigen Einzelfall, sondern einen Falltyp, der noch anderweitig vorkommen kann; auch ihr ist deshalb rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht abzusprechen.
2.
Die vorgelegte Frage ist entscheidungserheblich: Verneint man sie, ist die Klage ohne weiteres abweisungsreif; bejaht man sie, dann ist – je nachdem, ob man das Beklagtenvorbringen zum Eigenbedarf und zur Wohnrechtsvereinbarung für erheblich hält oder nicht – entweder der Klage ohne weiteres stattzugeben oder Beweis zu erheben.
III.
Die Vorlagefrage ist wie aus dem Entscheidungssatz ersichtlich zu beantworten.
1. a)
Die Kündigung eines Vermieters wird nicht dadurch unwirksam, daß er die Mietsache veräußert. Der Erwerber tritt vielmehr gemäß § 571 BGB in die durch die Kündigung begründeten Vermieterrechte ein, wird also Inhaber auch des Rückgabeanspruchs nach § 556 Abs. 1 BGB (vgl. u.a. BGHZ 72, 147 (150); LG Frankenthal, WuM 1991, 350 (351); Staudinger-Emmerich (zweite Bearbeitung 1981), § 571 Rdn. 62 c; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Auflage, § 571 Rdn. 17; MünchKomm.-Voelskow, BGB, 2. Auflage, § 571 Rdn. 18; Erman/Schopp, BGB, 8. Auflage, § 571 Rdn. 10; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Auflage, Rdn. B 53; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Rdn. II 889; Sternel, Miete, 3. Auflage, Rdn. IV 19; Gather DWW, 1992, 37 (41)) und, in der Zeit bis zum Kündigungstermin, der Anwartschaft darauf (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O.).
b)
Ausnahmen von diesem Grundsatz macht man bei bestimmten Kündigungsgründen, von denen man annimmt, daß sie über den Zeitpunkt der Kündigung hinaus Bestand haben müssen. Als Beispiele gelten die Wohnungskündigungen wegen Eigenbedarfs oder wegen Verwertungsinteresses gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB (vgl. LG Frankenthal, WuM 1991, 350 (351); LG Osnabrück, WuM 1990, 81 (82); LG Aachen WuM 1990, 27; Staudinger-Sonnenschein, a.a.O., § 564 b Rdn. 50, MünchKomm. a.a.O., § 571 Rdn. 18; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., Rdn. B 53; Bub/Treier, a.a.O., Rdn. IV 74; Sternel a.a.O., Rdn. IV 19; Barthelmess, 2. WKSchG/MHG, 4. Auflage, § 564 b Rdn. 53 a; Gather, DWW 1992, 37 (41); anderer Ansicht offenbar Staudinger-Emmerich, a.a.O., § 571 Rdn. 62 c). Der durch sie erzeugte Räu...