Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussichtliche Unzulässigkeit der Auslieferung zur Strafvollstreckung wegen unerträglich harter Bestrafung eines zur Tatzeit 15 Jahre alten Jugendlichen
Leitsatz (amtlich)
Die Anordnung der Auslieferungshaft gegen einen jetzt 16 Jahre alten und zur Tatzeit 15-jährigen Jugendlichen wegen eines Ersuchens der Slowenischen Behörden um dessen Auslieferung zur Strafvollstreckung aus einem Urteil, durch das der Jugendliche wegen Bedrohung, Sachbeschädigung und Beleidigung zum Nachteil seiner Eltern, mit denen er inzwischen in Deutschland zusammenlebt, zu einer Freiheitsstrafe von 1 - 3 Jahren verurteilt worden ist, ist im Hinblick auf die wahrscheinliche Zulässigkeit der Auslieferung und das Fehlen eines Haftgrundes abzulehnen.
Normenkette
IRG § 73; GG Art. 2 Abs. 1; EMRK Art. 8; GG Art. 1 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Rheine (Entscheidung vom 07.04.2014; Aktenzeichen 33 Gs 131/14) |
Tenor
1.
Die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft wird abgelehnt.
2.
Die Festhalteanordnung des Amtsgerichts Rheine vom 7. April 2014 (Az.: 33 Gs 131/14) wird aufgehoben.
3.
Der Verfolgte ist unverzüglich aus der Auslieferungshaft zu entlassen.
4.
Dem Verfolgten wird der Rechtsanwalt S in I als Beistand beigeordnet.
(zu Zif. 3) und 4) Anordnung bzw. Entscheidung des mitunterzeichnenden Senatsvorsitzenden)
Gründe
I.
Die slowenischen Behörden ersuchen um die Auslieferung des Verfolgten zur Strafvollstreckung auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls des Landgerichts Maribor vom 28. Februar 2014 (Aktenzeichen: I KM 55524/2012).
Diesem Europäischen Haftbefehl liegt das Urteil des Landgerichts Maribor vom 3 Juni 2013 (Aktenzeichen: I KM 55524/2012) zugrunde, durch das der Verfolgte wegen einer Straftat der Gewalt in der Familie gemäß Art. 191 Abs. 1 des slowenischen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von "mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren" verurteilt worden ist. Diese Freiheitsstrafe hat der Verfolgte, soweit derzeit bekannt, noch vollständig zu verbüßen.
In dem in Anwesenheit des Verfolgten verkündeten Urteil wird diesem zur Last gelegt, seine Eltern am 2. November 2012 - also nur wenige Tage nach seinem 15. Geburtstag - in deren Wohnung in N, C 11, bedroht und beleidigt sowie Einrichtungsgegenstände beschädigt zu haben. Der Verfolgte habe seine Eltern mit der Drohung eines unmittelbaren Angriffs auf ihr Leben aus der gemeinsamen Wohnung vertreiben wollen und habe am Tattage gegen 10:00 Uhr während eines Streites mit seinem Vater H diesen angeschrien und Stühle sowie andere Einrichtungsgegenstände in der Küche umgeworfen. Ein Mikrowellengerät habe er so geworfen, das dieses zu Bruch gegangen sei und darüber hinaus habe er zwei Türen zerstört. Ferner habe er eine Wandlampe zerstört und seinen Vater als "Macker, der nicht arbeiten würde" und "Stadtstreicher" beschimpft und erklärt, dass er "auf das Grab des Vaters pissen" würde. Dabei sei er seinen Vater die gesamte Zeit über körperlich angegangen und habe ihn herausgefordert, sich mit ihm zu prügeln. Ferner habe er seinen Eltern gedroht, dass er sie umbringen würde, wenn sie nicht aus der Wohnung verschwinden würden.
Nachdem der Verfolgte am 6. April 2014 gegen 10:00 Uhr an seinem Wohnort in Deutschland, wo er zusammen mit seinen Eltern lebt, einen Nachbarn in das Gesicht geschlagen hatte, als sich dieser über die von der Wohnung der Familie des Verfolgten ausgehende Lärmbelästigung beschweren wollte, kam es zu einem Polizeieinsatz, in dessen Verlauf der Verfolgte aufgrund der zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ergangenen Ausschreibung im Schengener Informationssystem festgenommen wurde.
Bei seiner Anhörung durch die Gs-Richterin des Amtsgerichts Rheine am 7. April 2014 (Az. 33 Gs 131/14) gab der Verfolgte zu seinen persönlichen Verhältnissen und sozialen Bindungen in der Bundesrepublik an, dass er sich seit neun Monaten in Deutschland aufhalte und hier mit seinen Eltern zusammen lebe. Er erhebe Einwendungen gegen seine Auslieferung: Er wolle Deutsch lernen und dann hier arbeiten. Zum Tatvorwurf äußerte sich der Verfolgte nicht. Allerdings erklärte er, der Vollstreckung im Ausland zuzustimmen. Das Amtsgericht Rheine hat daraufhin am 7. April 2014 eine Festhalteanordnung gegen den Verfolgten nach § 23 Abs. 3 IRG erlassen.
Mit Schriftsatz seines Beistandes vom 10. April 2014 teilte der Verfolgte mit, dass er der Vollstreckung in Slowenien nicht zustimme und im Falle der Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion zum Zwecke der Vollstreckung in die Bundesrepublik Deutschland überstellt werden wolle.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat mit Zuschrift vom 10. April 2014 beantragt, gegen den Verfolgten die förmliche Auslieferungshaft anzuordnen und ihm nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 IRG einen Beistand zu bestellen.
II.
Die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft war abzulehnen.
Gemäß § 15 Abs. 2 IRG darf die Auslieferungshaft nicht angeordnet werden, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint. Nach de...