Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 08 O 28/23) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Aussetzungsbeschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 21.02.2024 aufgehoben.
Gründe
I. Mit der Klage begehrt der Kläger die Erstattung von Verlusten, die er nach seinem Vortrag im Zeitraum vom 31.01.2022 bis zum 03.02.2022 bei der Teilnahme an sog. Online-Casinospielen, die von der in R. ansässigen Beklagten unter der Internetadresse https://www.I01 angeboten wurden, erlitten haben will.
Er vertritt die Auffassung, ein Anspruch auf Rückzahlung der Verlustbeträge ergebe sich u. a. aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Der Vertrag mit der Beklagten über die Teilnahme an den Online-Glücksspielen bilde keinen Rechtsgrund. Der Vertragsschluss verstoße gegen § 4 Abs. 4 GlüStV in der Fassung vom 29. Oktober 2020. Auch nach Inkrafttreten des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 - GlüStV 2021) am 1. Juli 2021 sei das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen im Internet ohne behördliche Erlaubnis verboten. Weil die Beklagte über keine Erlaubnis in Form einer Konzession für ihr Angebot verfügt habe, sei der hier in Rede stehende Glücksspielvertag zwischen den Parteien nichtig.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dem noch anhängigen Verfahren C-440/23 über ein Vorabentscheidungsersuchen des Civil Court Malta vom 11.07.2023 zu entscheiden, welches insbesondere die Frage zum Gegenstand hat, ob das in § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen und bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (GlüStV 2012) enthaltene Verbot von Online-Casinospielen ohne Erlaubnisvorbehalt mit dem Unionsrecht vereinbar war.
Mit Beschluss vom 10.01.2024 hat der Bundesgerichtshof die Aussetzung des dort unter dem Aktenzeichen I ZR 53/23 anhängigen Revisionsverfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in vom vorgenannten Vorabentscheidungsverfahren angeordnet. In dem diesem Revisionsverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Erstattung von Verlusten aus Online-Casinospielen, die sie im 18.09.2018 bis zum 25.11.2019 erlitten haben will, und macht geltend, die zugrunde liegenden Glücksspielverträge seien gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie gegen ein gesetzlich Verstoß verstoßen hätten, das sich aus dem im fraglichen Zeitraum geltenden Verbot des Veranstaltens von öffentlichen Glücksspielen im Internet in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ergeben habe (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. März 2023 - I-21 U 116/21 -, juris).
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den vorliegenden Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Verfahren I ZR 53/23 gemäß § 148 ZPO ausgesetzt. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Bundesgerichtshof habe jenes Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. In dem vorgelegten Verfahren gehe es ebenso wie im Streitfall um die Rückforderung von Zahlungen im Rahmen eines Online-Casinos. Entscheidungserheblich sei insoweit, ob solche Casinos rechtmäßig nach deutschem Recht verboten gewesen seien. Zum Zwecke einer einheitlichen Rechtsprechung sei daher der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof abzuwarten.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, das Landgericht habe verkannt, dass § 148 ZPO die Aussetzung allein wegen der Bedeutsamkeit einer in dem anderen Rechtsstreit zu beurteilenden Rechtsfrage auch für den Streitfall nicht gestatte.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die gemäß § 252 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Umstände, die die vom Landgericht angeordnete Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem zurzeit beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen I ZR 53/23 anhängigen Rechtsstreits rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
1. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 148 ZPO sind nicht erfüllt.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus, also dass die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11 -, Rn. 6, juris).
Der beim Bundesgerichtshof in der Revisionsinstanz anhängige Rechtsstreit, auf den sich das Landgericht bezogen hat, kann im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit jedoch weder materielle Rechtskraft entfalt...