Leitsatz (amtlich)
Zur Beschwerde gegen die Aussetzung eines Rechtsstreits analog § 148 ZPO, in dem die Erstattung von beim Online-Glücksspiel erlittenen Verlusten begehrt wird, im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-440/23 betreffend das Vorabentscheidungsersuchen des Civil Court Malta vom 11.07.2023
Normenkette
AEUV Art. 56, 267; GlüStVtr SL 2012 § 4; GlüStVtr SL 2021 § 4; ZPO §§ 148, 252, 567
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 19.03.2024; Aktenzeichen 4 O 202/23) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 19.03.2024 (4 O 202/23) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich gegen die Aussetzung eines Rechtsstreits, in dem er die Erstattung von Verlusten verlangt, die er beim Online-Glücksspiel erlitten hat. Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet solche Glückspiele an über eine deutschsprachige Version ihrer Webseite "P.", auf der der Kläger beim Spielen von Online-Automatenspielen Einsätze verloren hat. Im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze verfügte die Beklagte über eine Lizenz in Malta, nicht aber über eine Erlaubnis in Deutschland. Nachdem der Kläger die Beklagte ursprünglich im Wege der Stufenklage auf Auskunft und anschließend Erstattung der sich hieraus ergebenden, noch unbezifferten Verluste in Anspruch genommen hatte (Bl. e-Akte LG), haben die Parteien den Auskunftsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt (Bl. 347 e-Akte LG) und der Kläger hat seine Verluste im Zeitraum von September 2018 bis Dezember 2022 auf insgesamt 9.458,61 EUR beziffert (Bl. 347, 373 e-Akte LG).
Das Landgericht hat das Verfahren nach Gewährung rechtlichen Gehörs (Bl. 437 e-Akte LG) mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.03.2024 (Bl. 445 ff. e-Akte LG) in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-440/23 betreffend das Vorabentscheidungsersuchen des Civil Court Malta vom 11.07.2023.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 03.04.2024 (Bl. 459 ff. e-Akte LG) sofortige Beschwerde eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, die Voraussetzungen für eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO lägen nicht vor. Die Vorlage durch das maltesische Gericht diene allein der Blockade der in Deutschland anhängigen Verfahren gegen die maltesische Glücksspielindustrie. Die erst in geraumer Zeit zu erwartende Entscheidung des EuGH sei nicht vorgreiflich für den vorliegenden Rechtsstreit, wie eine Reihe von Oberlandesgerichten bereits entschieden habe. Weder entfalte der Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH materielle Rechtskraft noch Interventions- oder Gestaltungswirkung. Darüber hinaus seien die dem EuGH durch das maltesische Gericht vorgelegten Fragen offenkundig zu beantworten, denn der EuGH habe die maßgeblichen Grundsätze, nach denen sich die Unionsrechtmäßigkeit von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 richte, bereits hinlänglich konkretisiert. Schließlich komme unter dem Aspekt des effektiven Rechtsschutzes der Frage der - geringen - Erfolgsaussichten des anderen Verfahrens und der mit der Aussetzung eintretenden Verfahrensverzögerung entscheidendes Gewicht zu.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit ergänzend begründetem Beschluss vom 11.04.2024 (Bl. 514 f. e-Akte LG) nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts hat keinen Erfolg.
1. Es kann offenbleiben, ob die sofortige Beschwerde wegen fehlender Statthaftigkeit bereits unzulässig ist, weil sie sich gegen einen Aussetzungsbeschluss wendet, der in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO im Hinblick auf eine in einem anderen Verfahren erfolgte Vorlageentscheidung nach Art. 267 AEUV erfolgt ist. Während Aussetzungsentscheidungen grundsätzlich gemäß §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden können, gilt dies nach herrschender Auffassung nicht, wenn die Aussetzung mit einer eigenen Vorlageentscheidung nach Art. 267 AEUV verbunden ist. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn - wie vorliegend - wegen der Vorlage in einem anderen Verfahren ausgesetzt wird, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (die Statthaftigkeit der Beschwerde bejahend z.B. OLG Köln, Beschluss vom 15.03.2024 - 19 W 18/24 -, juris Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.10.2023 - 17 W 23/23 -, juris Rn. 6; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.02.2022 - 4 W 16/21 -, juris Rn. 29 ff.; Gerken in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 252 Rn. 6; Greger in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 252 ZPO Rn. 2; verneinend z.B. OLG Köln, Beschluss vom 17.05.2023 - 15 W 19/23 -, juris Rn. 19; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.10.2020 - 6 W 53/20 -, juris Rn. 8; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06.10.2014 - 4 W 33/14 -, juris Rn. 15; siehe hierzu bereits Senat, Beschluss vom 1...